Waffenfirma soll Behörden getäuscht haben
"Bitte gebt ihm einmal kräftig auf die Zwölf!" Der Mitarbeiter von SIG Sauer in Eckernförde war an diesem Morgen im August 2011 auf Zinne. Gerade hatte er von einem Kollegen der amerikanischen Schwesterfirma in Exeter (New Hampshire) eine E-Mail bekommen, in der dieser explizit Informationen über die Pistole des Typs SP2022 in Kolumbien weitergibt. Das seien Dokumente, "von denen wir gar nichts wissen sollten", empört sich der deutsche Kollege. Offenbar war ihm sehr wohl bewusst, wie heikel der Deal seines Unternehmens war. Es geht um illegale Waffenlieferungen ins Bürgerkriegsland Kolumbien, um Pistolen, die in Schleswig-Holstein gefertigt wurden und die die amerikanische Schwesterfirma an das US-Militär verkauft hat - im Wissen, dass sie von dort auch an die kolumbianische Bundespolizei gehen. Insgesamt handelt es sich um 98.000 Pistolen im Wert von 70 Millionen US-Dollar.
Pistolen über die USA nach Kolumbien - ohne Genehmigung
Der Mailverkehr zwischen Exeter und Eckernförde an diesem Augusttag 2011 ist nur eines von zahlreichen Dokumenten, die belegen, dass man bei SIG Sauer in Deutschland über das problematische Geschäft Bescheid wusste. Auch die Aussagen mehrerer Insider, die NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" vorliegen, bestätigen dies. Damit erhärtet sich der Verdacht, dass die Waffenfirma geltende Vorschriften umging. Offenbar mit Wissen der obersten Führungsriege lieferte SIG Sauer demnach die Pistolen über den Umweg USA in das Krisenland Kolumbien, obwohl dafür keine Genehmigung vom zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) vorlag.
Export-Kontrollbeauftragte der Firma warnte vor "harten Strafen"
Auf den Exportdokumenten hieß es, die Waffen seien für den zivilen Markt in den USA. In den internen Firmenunterlagen finden sich aber zahlreiche Belege dafür, dass der Waffenproduzent aus Schleswig-Holstein wusste, dass die Waffen an die kolumbianische Polizei weitergeleitet wurden. In einer E-Mail heißt es, Empfänger sei ein "Kunde in Kolumbien". Die Kenntnis dürfte es seit Herbst 2010 gegeben haben. Das Kolumbien-Geschäft lief dennoch zunächst weiter. Erst als die Export-Kontrollbeauftragte des Unternehmens von dem Geschäft erfuhr, kam es zu einem zumindest zeitweiligen Lieferstopp. Sie schrieb in einem dreiseitigen Bericht, sie fürchte eine Razzia der Polizei und "harte Strafen". Auch der Konzernanwalt warnte, das Vorgehen sei "strengstens verboten".
SIG Sauer sieht kein Fehlverhalten
Da auf den Exportdokumenten behauptet wurde, die Lieferungen würden in den USA verbleiben, hätte SIG Sauer demnach falsche Angaben gegenüber den Behörden gemacht. Die Ausfuhrgenehmigung wäre unwirksam, die Lieferung illegal. Den Verantwortlichen drohten wohl bis zu fünf Jahre Haft. Von SIG Sauer hieß es, für die Lieferungen seien nach ihrer Auffassung die US-Behörden verantwortlich. Eine von der Waffenfirma beauftragte Rechtsanwaltskanzlei habe die Geschäfte überprüft: "ein Fehlverhalten der SIG Sauer GmbH & Co KG konnte nicht festgestellt werden".