Geparkt, gefilmt, gespeichert
Eine Kamera filmt die Zufahrt zum Parkhaus, alle Nummernschilder werden dadurch erfasst und gespeichert - inklusive Datum und Uhrzeit. Bundesweit setzen Hunderte Betreiber von Parkhäusern, Firmenparkplätzen und Campinganlagen nach Recherchen von NDR und "Süddeutscher Zeitung" solche Kennzeichen-Erfassungssysteme ein. Die Nutzer ahnen davon meist nichts, wissen nicht, wo und wie lange die Daten gespeichert werden und wer darauf Zugriff hat.
Auswertung von Kfz-Kennzeichen "gängige Praxis"
2008 hatte das Bundesverfassungsgericht der Polizei untersagt, zu Fahndungszwecken massenhaft Autokennzeichen zu erfassen und zu speichern. Privatunternehmen setzen ähnliche Systeme aber offenbar großflächig ein. Etliche Firmen bieten sie an. "Durch hochleistungsfähige Systeme und Sensoren ist die Erfassung und Auswertung von Kfz-Kennzeichen heute gängige Praxis", schreibt eine von ihnen. Ein anderer Hersteller sagte NDR und SZ, die Nachfrage sei extrem hoch. In diesem Jahr hätten sie bereits etwa 200 solcher Anlagen in Parkhäusern und auf Parkplätzen installiert.
Die Anbieter werben mit Erkennungsraten von mehr als 95 Prozent und etlichen Speicher-, Such- und Exportmöglichkeiten für die erfassten Daten. Auch als Marketing-Werkzeug wird es angepriesen. "Jeder Park- und Reservierungsvorgang ist eine willkommene Gelegenheit, Kundendaten zu generieren."
Hamburger Datenschützer prüfen Parkhaus am Flughafen
Die zuständigen Behörden werden erst allmählich auf das Problem aufmerksam. In Hamburg überprüfen die Datenschützer derzeit erstmals ein Parkhaus mit einem Kennzeichen-Erfassungssystem. Es befindet sich am Flughafen. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar sagte NDR und SZ, dass seine Behörde den Einsatz der Erfassungstechnik dort als problematisch erachte. Beispielsweise liege von den Dauerparkern keine Einwilligung zur Speicherung ihrer Daten vor. Der Flughafen wollte sich nicht äußern, solange das Verfahren noch läuft.
"Marketingerfolgskontrolle" am Phantasialand
Das Phantasialand in Brühl bei Köln setzt ebenfalls ein Kennzeichen-Erfassungssystem ein. An der - öffentlichen - Zufahrtsstraße zu den Parkplätzen erfassen zwei Kameras alle Kennzeichen. "Marketingerfolgskontrolle" nennt dies Geschäftsführer Ralf-Richard Kenter. Sie könnten überprüfen, aus welchen Regionen die Besucher kämen und so sehen, ob eine Werbekampagne Wirkung zeige. Datenschutzrechtlich hält er es für unbedenklich, da nur die ersten Buchstaben der Kennzeichen an den Park übermittelt werden, der Rest wird anonymisiert. Aber ob nicht doch zwischenzeitlich das gesamte Nummernschild erfasst und irgendwo gespeichert wird, weiß auch Kenter nicht.
In Nordrhein-Westfalen zeigen sich die Datenschützer jedenfalls grundsätzlich skeptisch. Zu einem Kennzeichen lasse sich der Name des Halters etwa über das Straßenverkehrsamt herausfinden, sagt Nils Schröder von der Datenschutzbehörde. Deshalb seien Nummernschilder wie andere personenbezogene Daten gesetzlich geschützt. Ob jemand anders sie verwende dürfe, müsse im Einzelfall geprüft werden. Sie würden ebenfalls zurzeit das erste Mal solchen Fällen nachgehen, unter anderem am Aachener Uniklinikum.
Datenschützer haben keine gemeinsame Linie
In anderen Bundesländern sind die Datenschützer bislang noch gar nicht auf Kennzeichen-Erfassungen aufmerksam geworden. Außerdem zeigen die Antworten der Behörden: Es gibt keine gemeinsame Linie, keine einheitliche Rechtsauffassung. "Wir wollen einen deutschlandweit einheitlichen Standard", sagt Nils Schröder. Bis dahin bleibt die Kennzeichen-Überwachung ein rechtlicher Graubereich.
Schleswig-Holstein sieht keinen Grund für eine Kennzeichen-Erfassung
Die Datenschützer in Schleswig-Holstein sehen solche Systeme sehr kritisch: "Im Regelfall existieren hier funktionstüchtige Einfahrt- und Ausfahrtkontrollen, um eine Bezahlung sicherzustellen. Eine Kennzeichen-Erfassung wäre daher unter keinem Umstand erforderlich für die Verfolgung berechtigter Unternehmensinteressen." Andere Länder wie Niedersachsen, Berlin oder Bayern haben dagegen vereinzelt in den vergangenen Jahren Kennzeichen-Erfassungssysteme überprüft und unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig erachtet - beispielweise, um Manipulationen von Parkzeiten zu unterbinden.
Die Nutzer müssen jedoch der Speicherung ihrer Daten zustimmen. Reicht dafür ein Hinweisschild bei der Einfahrt zum Parkhaus, wie es etwa die Firma Conti-Park in Hamburg an der Europapassage und im Überseequartier einsetzt? Einige Behördenvertreter meinen ja, Nils Schröder aus Nordrhein-Westfalen dagegen sagt: "Ich kann mir nicht vorstellen, wie man an so einer Einfahrt einwilligen könnte." Außerdem habe man ja keine Wahl, wenn man das Parkhaus benutze wolle.
Daten müssen sofort gelöscht werden - passiert aber nicht überall
Fast alle Behörden sind sich aber zumindest in einem Punkt einig: Nach der Nutzung müssen die Daten unverzüglich gelöscht werden. Sie befürchten, dass sonst Bewegungsprofile erstellt werden könnten. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt das Beispiel eines Campingplatzes in Hamburg. Hier hängt ein kleiner weißer Kasten an einem Bügel unter der Schranke. Darin verborgen steckt eine kleine Videokamera. Fährt ein Auto davor, erscheint in der Rezeption des Campingplatzes das Kennzeichen auf dem Monitor und wird mit Datenbank abgeglichen.
"Über die Zeit der Speicherung haben wir noch keine Entscheidung getroffen", sagt der Geschäftsführer Reiner Tietjen. Gespeichert werden die Daten auf einem zentralen Server seiner Firma, die mehr als 20 Anlagen in Deutschland betreibt, auf zwei davon sind bereits Kennzeichen-Erfassungsanlagen installiert. Weitere sollen folgen. "Natürlich sind die Anlagen miteinander vernetzt", sagt Tietjen. Und eine Mitarbeiterin auf dem Campingplatz in Hamburg erklärt, wie es funktioniert: "Wenn Sie jetzt schon mal auf unserem Platz in Bad Dürkheim waren, dann kann ich das hier sehen und brauche es nicht noch einmal einzugeben."