"Diese Möglichkeiten hat kein normaler Bürger"
Marina Walker ist die stellvertretende Direktion vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). Die gebürtige Argentinierin und preisgekörnte Journalistin hat das Projekt Luxemburg Leaks koordiniert. Im Gespräch mit Benedikt Strunz erklärt sie, was das ICIJ macht und was die besonderen Schwierigkeiten bei dem Projekt waren.
Was steckt hinter der Idee des ICIJ?
Marina Walker: Das ICIJ ist ein Netzwerk von mehr als 175 Journalisten aus 65 Länder in der ganzen Welt. Die Idee ist, dass diese Journalisten über Ländergrenzen hinweg investigativ arbeiten. Es geht um enge Zusammenarbeit. Denn wir sind er Überzeugung, dass das Teilen von Informationen und das Arbeiten in einem Netzwerk mit vertrauenswürdigen Journalisten Geschichten sehr viel mehr Nachdruck verleiht.
Warum wird länderübergreifende Zusammenarbeit immer wichtiger?
Marina Walker: Wir leben in einer globalisierten Gesellschaft: Finanzen, Kriminalität und Strafverfolgung funktionieren global. Journalisten arbeiten traditionell eher auf sich alleine gestellt. Ihnen ist es wichtiger, eine exklusive Story zu bekommen und schneller zu sein als andere, als zusammenzuarbeiten. Wir glauben aber, dass die größten Probleme unserer Zeit nur effektiv angegangen werden können, wenn wir im Netzwerk mit Reportern aus anderen Ländern zusammenabreiten. Das hilft, um bestimmte Geschehnisse besser zu verstehen und auszulegen, denn sie machen nicht vor Ländergrenzen Halt.
Worum geht es bei Luxemburg Leaks?
Marina Walker: Bei Luxemburg Leaks geht es um Steuerabsprachen. Das sind spezielle Abmachungen von multinationalen Firmen aus der ganzen Welt, die sie von Luxemburg erhalten haben. Das Projekt basiert auf der Bewertung von fast 28.000 Seiten vertraulicher Finanz-Dokumente, die dem ICIJ zugespielt wurden. Wir haben mit mehr als 80 Journalisten aus 26 Ländern der ganzen Welt zusammengearbeitet, um diese zu analysieren und bewerten. Anschließend haben wir untersucht, welche Auswirkungen diese geheimen Steuer-Deals tatsächlich auf die Gesellschaft haben.
Welche Journalisten sind für die Zusammenarbeit ausgewählt worden?
Marina Walker: Wir haben mit einer ganzen Reihe von Medien zusammengearbeitet. Angefangen von großen Fernsehsendern und Zeitungen wie "The Guardian" und "Le Monde", es waren aber auch verschiedene kleinere Investigativ-Zentren beteiligt. Wir haben die Partner ausgewählt, die die besten investigativen Reporter haben und die Idee unterstützen, langfristig und gemeinsam an investigativen Geschichten zu recherchieren.
Was war die Herausforderung an diesem Projekt?
Marina Walker: Die größte Herausforderung war, diese sehr komplizierten Unterlagen richtig zu verstehen und zu deuten. Normale Menschen und auch Journalisten bekommt man so etwas sonst nicht zu Gesicht. Die Unterlagen beschreiben detailliert, wie unglaublich komplex diese Steuer-Deals sind und sie sind in der Fachsprache von Steuer-Revisoren verfasst. Wir brauchten eine Reihe von Experten, die uns beim Durcharbeiten der Unterlangen geholfen haben. Auch das Netzwerk mit Journalisten hat uns dabei sehr geholfen. Die zweite Herausforderung war anschließend die, den Zuschauern, Hörern und Lesern die Geschichte nahezubringen. Und ihnen zu erklären, warum es wichtig ist ein Auge auf die multinationalen Konzerne und auf Hintertürchen zu haben, die normalen Bürgern nicht zur Verfügung stehen. Und natürlich, welche Auswirkungen es auf ihr Leben hat.
Warum sind diese Unterlagen so wichtig?
Marina Walker: Sie erlauben uns zum ersten Mal in eine geheime Welt zu schauen, wie es zuvor weder global noch so detailliert geschehen ist. Zum erstem Mal können wir Einzelfall für Einzelfall sehen, wie einige der weltweit größten Konzerne wie Pepsi, Amazon, Ikea und die Deutsche Bank - deren Produkte und Dienstleistungen wir Tag für Tag nutzen - in ein und demselben Land nach den gleichen Regeln ihre Profite verschieben und ihre Steuerlast dramatisch senken. Diese Möglichkeiten hat kein normaler Bürger. Das ist die eigentliche Enthüllung. Deshalb sind diese Dokumente so wertvoll. Und wir haben sie veröffentlicht, damit jeder sie sehen kann.