Kommentar: Tschentschers Sieg sendet Botschaft nach Berlin
Die SPD kann aufatmen. In Hamburg zeigen die Sozialdemokraten eine Woche nach der Bundestagswahl, dass sie noch gewinnen können. Welche Erkenntnisse kann man in Kanzleramt und Bundestag aus dem Erfolg Peter Tschentschers ziehen?
Ein Kommentar von Christiane Uebing, Leiterin Aktuelles NDR Info
"Hamburg ist anders". Diesen Satz hat SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher im Wahlkampf wieder und wieder gesagt. Und der Erste Bürgermeister hat recht behalten: Der Hamburger SPD ist es erneut gelungen, sich gegen den Bundestrend deutlich als stärkste Kraft zu behaupten. Und sie kann auch die künftige Regierung in einer Koalition mit dem Wunschpartner, den Grünen, anführen. Die SPD in der Hansestadt hat es in ihrer Führungszeit auch geschafft, die Zugewinne der AfD - anders als in vielen anderen Bundesländern - relativ gering und die Partei deutlich unter der Zehn-Prozent-Marke zu halten.
Achtungserfolg für die CDU
Natürlich sind die Verhältnisse in einem westdeutschen Stadtstaat nicht mit den Bedingungen in einem ostdeutschen Flächenland vergleichbar. Und natürlich ist die SPD in Hamburg traditionell stark. Da ist es für die CDU ein Achtungserfolg, dass sie zulegen und an frühere Ergebnisse anknüpfen konnte.
Der Satz "Hamburg ist anders" gilt auch deshalb, weil es Rot-Grün gelungen ist, unter der Führung von Peter Tschentscher seit nunmehr rund sieben Jahren recht geräuschlos zu regieren, ohne großen Streit, der nach außen drang. Ganz anders die Berliner Ampel-Koalition kurz vor ihrem Scheitern.
Keine Wechsel-Stimmung in Hamburg
Der Satz gilt auch, weil es eine Wechsel-Stimmung - anders als zuletzt im Bund - in Hamburg nicht gab: Laut Umfragen vor der Wahl gaben 70 Prozent der Bürger an, dass Peter Tschentscher ein guter Bürgermeister sei. Diese große Zufriedenheit hat offenbar viele Wählerinnen und Wähler bei ihrer Entscheidung geleitet. Man erinnere sich im Vergleich an die Werte von Olaf Scholz im Bund.
Hinzu kommt: In den Umfragen der Wahlforscher bezeichneten die Hamburger nicht die wirtschaftliche Lage oder die Migration als vordringliche Sorge. Es war die Sorge um die Demokratie und den Rechtsstaat, die von den Befragten zuallererst genannt wurde.
Jetzt gilt es, Kompromisse zu finden
Diese Botschaft sollte die SPD im Bund - und natürlich auch die Union - hören und sie sollte sie an ihre Verantwortung erinnern: Beide tun jetzt gut daran, sich an Peter Tschentscher ein Beispiel zu nehmen und konstruktiv in Sachfragen zusammenzuarbeiten. Auch wenn die Differenzen bei den Themen Migration, Militärausgaben und Schuldenbremse nicht klein sind. Jetzt gilt es, Kompromisse zu finden.
Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin/des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.
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