Stand: 25.11.2017 08:00 Uhr

Wenn Bruderküken am Leben bleiben

In der Reihe "NDR Info Perspektiven" suchen wir Lösungsansätze, Ideen und Menschen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Zum Beispiel bei der Frage: Was tun gegen das massenhafte Töten männlicher Küken? Legehennen werden gezüchtet, um Eier zu legen. Die männlichen Küken dieser Nutztierrasse sind für die Geflügelindustrie nutzlos, weil sie keine Eier legen können. Millionenfach werden sie gleich nach dem Schlüpfen getötet. Landwirte, Politiker, der Handel und die Wissenschaft suchen nach Lösungen, wie diese Kükentötung beendet werden kann. Auch Verbraucher können ihren Teil dazu beitragen.

Männliche Küken. © dpa bildfunk Foto: Bernd Wüstneck
In Großbetrieben ist es üblich, männliche Küken gleich nach dem Schlüpfen zu vergasen oder zu schreddern.

In vielen Supermärkten in Norddeutschland kann man Eier mit dieser Aufschrift kaufen: "Bruderküken-Initiative". So auch in einem Bio-Supermarkt in Hamburg. Ein Kunde greift gerade zu einer Verpackung mit sechs Bio-Eiern. "Das ist eine Initiative, die ich nur unterstützen kann", sagt der Kunde. "Weil sowohl die männlichen als auch die weiblichen Küken am Leben bleiben."

Vier Cent extra für die männlichen Küken

Ein Ei aus dieser Initiative kostet vier Cent mehr als ein herkömmliches Ei. Mit diesem Geld können die Bauern nicht nur die weiblichen, sondern auch ihre Brüder, die männlichen Küken aufziehen, anstatt sie kurz nach dem Schlüpfen zu töten. Als Legehennen sind sie nutzlos, weil sie keine Eier legen. Allein in Deutschland sind das jedes Jahr 40 Millionen Tiere.

"So wie pubertierende große Jungs"

"Bruderküken-Initiative", "Spitze und Bube" oder "Hähnlein" - unter diesen Namen bieten Bio- und einige konventionelle Supermärkte inzwischen Eier von Höfen an, die nicht die männlichen Küken nach dem Schlüpfen töten. Carsten Bauck ist Bio-Landwirt bei Uelzen in Niedersachsen. Vor gut fünf Jahren gründete er die sogenannte Bruderhahn Initiative Deutschland mit. Etwa 1.000 Hähne, gut drei Monate alt, tummeln sich in seinem Stall. Wer stattliche kräftige Tiere erwartet hat, wird allerdings enttäuscht. "Das sind schmale Hemden", sagt Bauck. "So wie pubertierende große Jungs, ein bisschen schlaksig, ein bisschen schlank, es sind einfach keine Mast-Typen."

Entweder Legehenne oder Masthuhn

Das bedeutet: Die Tiere setzen nur wenig und sehr langsam Fleisch an. Das hat mit der Züchtung zu tun. Denn schließlich stammen sie von Legehennen ab, die auf Eierlegen gezüchtet sind, nicht aber auf Fleischproduktion. Derzeit gibt es nur ein Entweder-oder: entweder Legehenne oder Masthuhn. Trotzdem: Ein halbes Jahr leben die schlaksigen Bruderhähne, bevor sie geschlachtet und zu Bio-Fertiggerichten verarbeitet werden. Aufzucht, Fütterung und Verarbeitung der Bruderhähne sind viel teurer als bei einem konventionellen Masthähnchen, das nur gut einen Monat lebt.

"Die Lösung wäre ein echtes Zweinutzungshuhn"

Für Bauck ist die Bruderhahn Initiative deswegen noch keine Lösung des Problems der massenhaften Küken-Tötung: "Das Symptom, dass der Bruder am Tag seiner Geburt aufgrund seines männlichen Geschlechts getötet wird, das können wir beheben", sagt Bauck. "Aber die Lösung wäre ein echtes Zweinutzungshuhn, und das ist noch ganz lange nicht zu sehen."

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Noch immer werden die meisten männlichen Hühnerküken nach der Geburt getötet. Mehrere Initiativen bieten nun in Läden Eier aus Betrieben an, die diese Küken leben lassen. 4 Min

Ein Huhn also, das auf beide Eigenschaften gezüchtet wird: Eier legen und Fleisch geben. Daran wird derzeit geforscht. "Es gibt erste Versuche", sagt Lars Schrader, Leiter des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tierschutz und Tierhaltung in Celle. Untersucht werden Immunsystem, optimale Haltungsbedingungen und Fütterung der Tiere. Das Problem sei die Vermarktung, sagt Schrader. Zwei große Zuchtunternehmen teilten sich 90 Prozent des weltweiten Geflügelmarktes. "Wenn sich abzeichnen würde, dass man in zwei, drei oder fünf Jahren eine Marktchance für diesen sogenannten Dual-Hahn hätte, dann würde das züchterisch noch stärker bearbeitet werden", meint Schrader. Das sei aber im Augenblick noch nicht abzusehen.

Politik setzt auf neuartige Maschine

Auch die Politik will gegen das massenhafte Töten männlicher Eintags-Küken vorgehen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) favorisiert eine Maschine, die schon im Ei das Geschlecht des Kükens bestimmen kann. Die Maschine gibt es schon. Sie ist aber noch nicht marktreif, weil sie noch nicht schnell genug arbeitet. "Wenn man das eines Tages hinbekommt, hat das Vorteile für die Geflügelindustrie - auch für die Brütereien, wenn nach dem Tag der Geschlechterbestimmung diese Eier nicht weiter gebrütet werden", sagt der Minister. Das spare Platz in den Brütereien.

"Geflügelzucht gehört in die Hände der Bauern!"

Kritiker wie Landwirt Bauck aber bemängeln, dass damit der Zeitpunkt der Tötung männlicher Küken lediglich vorverlegt werde. Bauck fordert, dass künftig die Geflügelzucht in den Händen der Bauern und nicht einiger weniger Groß-Züchter ist. Er ist überzeugt: Mit seiner Initiative trägt er dazu bei, dass die Öffentlichkeit das Problem der Kükentötung erkannt hat, ein Erfolg an sich, so der Landwirt.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 25.11.2017 | 08:35 Uhr

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