Julia Jirmann, Referentin beim Netzwerk Steuergerechtigkeit © Isabelle Demin Foto: Isabelle Demin
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AUDIO: Steuer-Expertin Jirmann: "Keine pauschalen Steuererleichterungen" (5 Min)

Solidaritätszuschlag bleibt: So reagieren Politik und Wirtschaft

Stand: 26.03.2025 19:38 Uhr

Nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen den Solidaritätszuschlag zurückgewiesen hat, hält die Union Steuerentlastungen dringend für nötig. Die SPD begrüßte das Urteil, während aus der Wirtschaft Forderungen nach einer Abschaffung des Solis laut werden.

"Wir akzeptieren das Urteil. Gleichwohl bräuchten wir jetzt dringend steuerliche Entlastungen für die Unternehmen und für die arbeitende Mitte, damit der Standort Deutschland im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig wird und wir auf einen Wachstumskurs zurückkehren", sagte der Osnabrücker CDU-Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitiker Mathias Middelberg.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. © dpa Foto:  Uli Deck
AUDIO: Bundesverfassungsgericht weist Klage gegen Soli zurück (4 Min)

Der geschäftsführende Finanzminister Jörg Kukies (SPD) begrüßte dagegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste deutsche Gericht bestätige damit die Rechtsauffassung der Bundesregierung, dass die Erhebung des Soli verfassungsgemäß sei. Damit schaffe es "Klarheit für die Aufstellung des Bundeshaushalts", sagte Kukies.

Klage von sechs FDP-Politikern

Sechs FDP-Politiker, darunter Christian Dürr aus Ganderkesee, hatten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Solidaritätszuschlag geklagt. Das Gericht wies die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung zurück, der Bund habe durch die Wiedervereinigung weiterhin zusätzlichen Finanzbedarf. Eine solche Ergänzungsabgabe dürfe jedoch nicht zeitlich unbegrenzt erhoben werden, betonte der Senat. Sie könnte verfassungswidrig werden, sobald der zuvor festgestellte Mehrbedarf wegfällt.

Dürr forderte nach der Entscheidung milliardenschwere Entlastungen für Betriebe und Sparer. "Friedrich Merz muss jetzt handeln", erklärte er. Wer sich ein Schuldenpaket genehmige, müsse auch in der Lage sein, 13 Milliarden Euro jährliche Entlastung umzusetzen. "Eine politische Entscheidung ist heute umso notwendiger geworden." Der Soli schwäche den Wirtschaftsstandort.

Netzwerk Steuergerechtigkeit begrüßt Urteil

Julia Jirmann, Referentin für Steuerrecht und Steuerpolitik beim Netzwerk Steuergerechtigkeit, begrüßte das Urteil. Der Solidaritätszuschlag sorge aktuell dafür, dass der Abstand zwischen dem, was Topverdienende zum Steueraufkommen beitragen, und dem, was Menschen mit niedrigeren Einkommen beitragen, größer ist. "Mit Blick auf die anstehenden großen Herausforderungen - Transformationen, Verteidigungsausgaben, unterfinanzierte Kommunen -, aber auch mit Blick auf die hohe soziale Ungleichheit sind die Steuereinnahmen genau an dieser Stelle eigentlich dringend nötiger als als je zuvor", sagte Jirmann im Interview mit NDR Info. Starke Schultern müssten stärker belastet werden als schwache.

Wirtschaft fordert Abschaffung des Solis

Aus der Wirtschaft wurden nach dem Urteil hingegen Forderungen nach einer Abschaffung des Solis laut. "Der Solidaritätszuschlag ist dreieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung nicht mehr mit den Kosten der deutschen Einheit zu rechtfertigen", sagte etwa der Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Stefan Bach. "Soweit er Unternehmensgewinne belastet, sollte er ersatzlos abgeschafft werden."

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, erklärte: "Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre für Unternehmen ein wichtiges Signal für spürbare Entlastungen." Mit einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlages könne die neue Bundesregierung ein wichtiges Signal für den Einstieg in eine umfassende Unternehmenssteuerreform setzen.

"Wirtschaftsstruktur allgemein verbessern"

"Wir müssen die Wirtschaftsstruktur in Deutschland allgemein verbessern", sagte der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Reint E. Gropp, NDR Info noch vor der Verkündung des Urteils in Karlsruhe. Dies sei kein spezifisch ostdeutsches Thema, weswegen der Soli nicht mehr gebraucht werde. Eine Abschaffung des Solis würde sich zudem positiv auf das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland auswirken.

Reint E. Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle IWH © Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
AUDIO: Ökonom Gropp: Soli-Abschaffung wäre gut für Ost-West-Verhältnis (6 Min)

Der Solidaritätszuschlag war 1995 unbefristet eingeführt worden, unter anderem um die Kosten der Wiedervereinigung zu finanzieren. Er wird auf die Einkommen-, Kapitalertrag- und die Körperschaftssteuer erhoben. Seit 2021 zahlen ihn aber weitgehend nur noch Gutverdienende und Unternehmen. Für etwa 90 Prozent der Steuerpflichtigen ist die Abgabe durch Freigrenzen seitdem entfallen.

Weitere Informationen
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. © dpa Foto:  Uli Deck

Urteil: Solidaritätszuschlag ist verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage von ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten abgewiesen. Mehr bei tagesschau.de. extern

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NDR Info | 26.03.2025 | 11:00 Uhr

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