VIDEO: Was kann gegen marode Binnendeiche unternommen werden? (2 Min)

Schutz vor dem Hochwasser: Wenn Deiche unter Druck geraten

Stand: 04.01.2024 16:48 Uhr

Hochwasserlagen wie jetzt in Niedersachsen zeigen: Hält der Druck des Wassers lange an, dann kann auch der stärkste Deich in Bedrängnis geraten. In solchen Fällen kommen verschiedene Sicherungssysteme zum Einsatz.

Grundsätzlich wird im Deichschutz zwischen zwei Ansätzen unterschieden, wie Holger Schüttrumpf, Direktor des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen, im Gespräch mit NDR.de erklärt.

Holger Schüttrumpf im Interveiw. © Screenshot
Holger Schüttrumpf von der RWTH Aachen erklärt die Vor- und Nachteile der Deichsicherungssysteme.

So gibt es Sicherungssysteme, die auf den Deich gelegt werden, "um ihm Gewicht zu geben" und zu stabilisieren. Sie sollen mit ihrer zusätzlichen Masse verhindern, dass Bodenmaterial, also der Sand des Deiches, ausgespült wird. Um umliegende Häuser und Gebäude vor Wassermassen zu schützen, kommen weitere Sicherungssysteme zum Einsatz.

Sie bilden die sogenannte zweite Schutzlinie und werden auch als mobile Deiche bezeichnet. Diese Aufbauten sollen das Wasser, das durch den Deich durchströmt, zurückhalten.

Erste Wahl bei Hochwasser: Sandsäcke

Einsatzkräfte der Feuerwehr stapeln Sandsäcke in Hodenhagen. © NDR Foto: Benedikt Bathe
Das Stapeln der Sandsäcke benötigt "unglaublich viel Personal".

Das klassische Sicherungssystem, das für die Stabilisierung von Deichen eingesetzt wird, sind Sandsäcke. "Das ist bewährt und einfach", sagt Holger Schüttrumpf. Einfach deshalb, da keine große Erfahrung der Helfer vorhanden sein muss, sie schnell geschult werden können und die Säcke einfach zu handhaben sind. "Sandsäcke sehen wir daher -egal welches Hochwasserereignis wir haben - als die häufigste Lösung." Doch es gibt auch Nachteile. So brauche der Einsatz von Sandsäcken "unglaublich viel Personal". Da ein Sandsack bis zu 20 Kilo wiegt, führe das zudem unweigerlich zur Erschöpfung der Katastrophenschützer und Freiwilligen, die teilweise über Tage im Einsatz sind.

Für Big Bags wird schweres Gerät benötigt

Ein mobiler Deich in Meppen. © Nord-West-Media TV
Big Bags können bis zu zwei Tonnen wiegen.

Eine Alternative zu den Sandsäcken stellen die sogenannten Big Bags dar. "Das sind große Säcke, die ungefähr einen Kubikmeter Inhalt haben und entsprechend ungefähr zwei Tonnen wiegen", sagt Schüttrumpf. Durch die Größe und das Gewicht können sie nicht per Hand, sondern nur per Gabelstapler oder Kran verlegt werden. Auch der Einsatz eines Hubschraubers sei möglich. "Den braucht man dann, wenn man an den Deich nicht rankommt, gerade in den ländlichen Gebieten." Anders als im städtischen Gebiet fehle in ländlichen Regionen häufig der "Deichverteidigungsweg". Daher sei es dort umso schwieriger, die Big Bags zu verlegen.

Mobile Deiche als Teil des Katastrophenschutzes

Droht das Wasser den Deich zu durchbrechen, kommen die mobilen Deiche zum Tragen. "Das sind Notsysteme. In dem Moment, wo die Gefahr besteht, dass der eigentliche Deich versagt, dann kommt dieser notfallmäßige Hochwasserschutz zum Einsatz." Die mobilen Deiche sind ein Element des Katastrophenschutzes und sollen eine komplette Überflutung verhindern. "Es gibt sehr viele unterschiedliche Systeme und eine Reihe von Entwicklern, die sich damit beschäftigen."

Plattensysteme bilden Schutz in der zweiten Reihe

Einsatzkräfte der Feuerwehr stellen einen mobilen Deich im Stadtteil Bümmerstede in Oldenburg auf. © dpa Foto: Hauke-Christian Dittrich
Auch in Oldenburg kamen Plattensysteme zum Schutz vor dem Hunte-Hochwasser zum Einsatz.

Ein Beispiel für eine zweite Schutzlinie sind sogenannte Plattensysteme. Hierfür werden beispielsweise Holzplatten mithilfe einer Stützkonstruktion schräg aufgestellt und mit Planen bespannt, damit das Wasser zurückgehalten wird. Auch bei dem 1,2 Kilometer langen mobilen Deich, der nun aus Frankreich nach Niedersachsen zur weiteren Unterstützung geliefert wurde, handelt es sich um ein solches Plattensystem.

Schläuche werden mit Sand oder Wasser befüllt

Ein mobiler Hochwasserschutz liegt am Deich der Wörpe in Lilienthal. © dpa
Am Deich der Wörpe in Lilienthal legten Helfer einen Deich aus Schläuchen aus.

Als zweite Schutzlinie fungieren auch Schlauchsysteme, die aus mit Wasser oder Sand gefüllten Kunststoffschläuchen bestehen. "Es können sehr lange oder kurze Schläuche sein. Da gibt es unterschiedliche Fabrikate von unterschiedlichen Herstellern", so der Experte. Sie werden zu beliebig langen Ketten zusammengefügt.

Tonnen im Verbund bilden einen zweiten Deich

Ein weiteres mobiles System sind Kunststofftonnen, die ungefähr einen Meter Durchmesser haben und eng nebeneinander aufgestellt werden. Auch das Innere der Tonnen wird üblicherweise mit Sand oder Wasser gefüllt. Die einzelnen Elemente werden mit Planen bespannt und sind dadurch miteinander verbunden.

Bundesländer unterstützen sich gegenseitig

Die beiden Sicherungssysteme sind Schüttrumpf zufolge in allen Bundesländern vorrätig. Da jedoch nicht vorhersehbar sei, wo genau das nächste Hochwasser kommt und wie viele Systeme dann gebraucht werden, würden sich die Länder im Ernstfall gegenseitig unterstützen. 

Weitere Informationen
Eine Luftaufnahme zeigt eine Straße bei Haselünne von Hochwasser unterspült. © Nord-West-Media TV

Wer übernimmt die Kosten für die Folgen des Hochwassers?

Schon jetzt ist klar: Straßen und Deiche in Niedersachsen haben Schaden durch das Hochwasser genommen. Wer trägt die Kosten? mehr

Eine Straßensperre wegen Hochwasser. © picture alliance/dpa | Daniel Vogl Foto: Daniel Vogl

Pegelstände: So viel Wasser führen Elbe, Weser, Ems und andere Flüsse

Wie ist die Hochwasserlage und wie sind die Pegelstände von Flüssen in Ihrer Region? Die aktuelle Lage im Überblick. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 03.01.2024 | 20:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Hochwasser

Deichbau

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine Frau schaut auf einen Monitor mit dem Schriftzug "#NDRfragt" (Montage) © Colourbox

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Mehr Nachrichten

Ein Fahrer der Verkehrsgesellschaft Rheinbahn ist im Rückspiegel zu sehen, während er einen Bus durch die Stadt steuert. © picture alliance Foto: Oliver Berg

Bye bye, Babyboomer! In diesen Jobs werden sie fehlen

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen nach und nach in Rente. Wo im Norden und in welchen Branchen wird der Mangel am stärksten spürbar? mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?