Schutz vor dem Hochwasser: Wenn Deiche unter Druck geraten
Hochwasserlagen wie jetzt in Niedersachsen zeigen: Hält der Druck des Wassers lange an, dann kann auch der stärkste Deich in Bedrängnis geraten. In solchen Fällen kommen verschiedene Sicherungssysteme zum Einsatz.
Grundsätzlich wird im Deichschutz zwischen zwei Ansätzen unterschieden, wie Holger Schüttrumpf, Direktor des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen, im Gespräch mit NDR.de erklärt.
So gibt es Sicherungssysteme, die auf den Deich gelegt werden, "um ihm Gewicht zu geben" und zu stabilisieren. Sie sollen mit ihrer zusätzlichen Masse verhindern, dass Bodenmaterial, also der Sand des Deiches, ausgespült wird. Um umliegende Häuser und Gebäude vor Wassermassen zu schützen, kommen weitere Sicherungssysteme zum Einsatz.
Sie bilden die sogenannte zweite Schutzlinie und werden auch als mobile Deiche bezeichnet. Diese Aufbauten sollen das Wasser, das durch den Deich durchströmt, zurückhalten.
Erste Wahl bei Hochwasser: Sandsäcke
Das klassische Sicherungssystem, das für die Stabilisierung von Deichen eingesetzt wird, sind Sandsäcke. "Das ist bewährt und einfach", sagt Holger Schüttrumpf. Einfach deshalb, da keine große Erfahrung der Helfer vorhanden sein muss, sie schnell geschult werden können und die Säcke einfach zu handhaben sind. "Sandsäcke sehen wir daher -egal welches Hochwasserereignis wir haben - als die häufigste Lösung." Doch es gibt auch Nachteile. So brauche der Einsatz von Sandsäcken "unglaublich viel Personal". Da ein Sandsack bis zu 20 Kilo wiegt, führe das zudem unweigerlich zur Erschöpfung der Katastrophenschützer und Freiwilligen, die teilweise über Tage im Einsatz sind.
Für Big Bags wird schweres Gerät benötigt
Eine Alternative zu den Sandsäcken stellen die sogenannten Big Bags dar. "Das sind große Säcke, die ungefähr einen Kubikmeter Inhalt haben und entsprechend ungefähr zwei Tonnen wiegen", sagt Schüttrumpf. Durch die Größe und das Gewicht können sie nicht per Hand, sondern nur per Gabelstapler oder Kran verlegt werden. Auch der Einsatz eines Hubschraubers sei möglich. "Den braucht man dann, wenn man an den Deich nicht rankommt, gerade in den ländlichen Gebieten." Anders als im städtischen Gebiet fehle in ländlichen Regionen häufig der "Deichverteidigungsweg". Daher sei es dort umso schwieriger, die Big Bags zu verlegen.
Mobile Deiche als Teil des Katastrophenschutzes
Droht das Wasser den Deich zu durchbrechen, kommen die mobilen Deiche zum Tragen. "Das sind Notsysteme. In dem Moment, wo die Gefahr besteht, dass der eigentliche Deich versagt, dann kommt dieser notfallmäßige Hochwasserschutz zum Einsatz." Die mobilen Deiche sind ein Element des Katastrophenschutzes und sollen eine komplette Überflutung verhindern. "Es gibt sehr viele unterschiedliche Systeme und eine Reihe von Entwicklern, die sich damit beschäftigen."
Plattensysteme bilden Schutz in der zweiten Reihe
Ein Beispiel für eine zweite Schutzlinie sind sogenannte Plattensysteme. Hierfür werden beispielsweise Holzplatten mithilfe einer Stützkonstruktion schräg aufgestellt und mit Planen bespannt, damit das Wasser zurückgehalten wird. Auch bei dem 1,2 Kilometer langen mobilen Deich, der nun aus Frankreich nach Niedersachsen zur weiteren Unterstützung geliefert wurde, handelt es sich um ein solches Plattensystem.
Schläuche werden mit Sand oder Wasser befüllt
Als zweite Schutzlinie fungieren auch Schlauchsysteme, die aus mit Wasser oder Sand gefüllten Kunststoffschläuchen bestehen. "Es können sehr lange oder kurze Schläuche sein. Da gibt es unterschiedliche Fabrikate von unterschiedlichen Herstellern", so der Experte. Sie werden zu beliebig langen Ketten zusammengefügt.
Tonnen im Verbund bilden einen zweiten Deich
Ein weiteres mobiles System sind Kunststofftonnen, die ungefähr einen Meter Durchmesser haben und eng nebeneinander aufgestellt werden. Auch das Innere der Tonnen wird üblicherweise mit Sand oder Wasser gefüllt. Die einzelnen Elemente werden mit Planen bespannt und sind dadurch miteinander verbunden.
Bundesländer unterstützen sich gegenseitig
Die beiden Sicherungssysteme sind Schüttrumpf zufolge in allen Bundesländern vorrätig. Da jedoch nicht vorhersehbar sei, wo genau das nächste Hochwasser kommt und wie viele Systeme dann gebraucht werden, würden sich die Länder im Ernstfall gegenseitig unterstützen.