Klimaforscher Latif: Mehr Dürre und Starkregen auch in Norddeutschland
Europa hat im vergangenen Jahr den wärmsten jemals gemessenen Sommer erlebt - begleitet von enormer Dürre. Klimaforscher Mojib Latif warnte vor den Folgen auch für Norddeutschland.
Die Werte im Sommer 2022 lagen nach Angaben des EU-Klimawandeldienstes Copernicus im Durchschnitt 1,4 Grad über dem Referenzzeitraum 1991 bis 2020. Die Temperaturen in Europa stiegen rund doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt. In den europäischen Alpen ist so viel Gletschereis geschmolzen wie nie zuvor. Der Sommer war außerdem geprägt von einer enormen Dürre, die Copernicus zufolge mehr als ein Drittel Europas betraf und Landwirtschaft, Transporte und die Energieversorgung beeinträchtigte. Dies lag unter anderem daran, dass im vorherigen Winter weniger Schnee fiel als üblich und enorme Hitzewellen im Sommer die Situation verschärften.
Latif: Klimawandel ist auch in Deutschland angekommen
Für den Klimaforscher Latif zeigen die Ergebnisse der Studie deutlich, "dass der Klimawandel im vollen Gange und auch längst bei uns in Deutschland angekommen ist". Das sagte der Hamburger Meteorologe, Ozeanograph, Klimaforscher und Hochschullehrer an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel im Interview bei NDR Info. In Norddeutschland müssten wir einerseits mit Sommertrockenheit rechnen, andererseits auch mit Starkregen. Und für Norddeutschland spiele auch der steigende Meeresspiegel eine wichtige Rolle, erklärte Latif: "Wir sehen ja, dass gerade Grönland extrem schnell abschmilzt. Da hatte man letztes Jahr die höchsten Temperaturen, die man jemals dort gemessen hatte. Insofern ist es richtig, dass wir jetzt auch schon die Deiche hoch bauen."
Viele Tage mit gesundheitsgefährdendem Hitzestress
Aus der Copernicus-Studie geht weiterhin hervor, dass im Süden Europas die Anzahl der Tage mit extremem Hitzestress deutlich zugenommen haben. Hitzestress gilt als gesundheitlich gefährlich. Außerdem war die Sonneneinstrahlung in Europa so intensiv wie zu keinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 40 Jahren.
Mehr Solarstrom möglich - Treibhausgas-Konzentration aber weiter hoch
Positiver Nebeneffekt: In vielen Teilen Europas gab es ein überdurchschnittliches Potenzial zur Produktion von Solarstrom. Die Fachleute gehen hier von einem anhaltenden Trend aus. Allerdings nahm die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auch im vergangenen Jahr nicht ab - im Gegenteil. Sowohl die Konzentration von Kohlendioxid als auch die des extrem potenten Klimagases Methan stieg an.
Daten und Wissen über Klimawandel sammeln
"Das Klima, das uns erwartet, wird sehr, sehr anders sein als das Klima, in dem wir aufgewachsen sind", sagte Copernicus-Direktor Carlo Buontempo. Umso wichtiger sei es, Daten und Wissen darüber zu sammeln und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
DWD: Folgen auch in Deutschland spürbar
"Wir kommen raus aus der Komfortzone", sagte Andreas Becker, Abteilungsleiter der Klimabeobachtung beim DWD. Die Folgen würden in Deutschland zunehmend spürbar, sagte er mit Blick auf Waldbrände, Ernteausfälle und Trinkwasserreglementierungen, die mehrere Kommunen im vergangenen Sommer angeordnet hätten. So wurde 2022 erstmals in Norddeutschland die 40-Grad-Marke erreicht - und zwar in Hamburg und in Niedersachsen. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gab es ebenfalls neue Landes-Temperaturrekorde.
Meyer: Schlimme Hochwasser in Niedersachsen wahrscheinlicher
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Die Grünen) warnte anlässlich eines Expertenaustauschs beim niedersächsischen Gewässerforum in Hannover vor den Folgen des Klimawandels: So würden schlimme Hochwasser in Niedersachsen immer wahrscheinlicher. "Die Klimakrise ist real. Wir müssen uns darauf einstellen", sagte der Grünen-Politiker. Insbesondere durch Starkregen könne jeder davon betroffen sein.