Der talentierte Mr. Vossen - neue Erkenntnisse zum Millionenbetrüger
Der Gütersloher Textilunternehmer-Sohn Felix Vossen hat Freunde und Angehörige mit Anlagebetrug um Millionen gebracht. Vier Jahre saß er dafür in einem Schweizer Gefängnis. Nun nimmt der Fall eine unerwartete Wendung: Eine der Geprellten steht selbst wegen Betrugs vor Gericht. Das ergaben Recherchen für die Fortsetzung des True-Crime-Podcasts "Der talentierte Mr. Vossen" von NDR Info.
Madhu Grover lebt mit indischer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft in New York. Im Züricher Verfahren gegen den früheren Daytrader und Filmproduzenten Felix Vossen im November 2017 war die Familie der heute 55-Jährigen unter den Geschädigten. Der Deutsche gab den Anlagebetrug zu und wurde verurteilt, Familie Grover knapp zwei Millionen Dollar zu zahlen. "Er versuchte jede Taktik, um zwei Jahre lang mein Vertrauen zu gewinnen", schrieb Madhu Grover 2015 in einer Mail an andere Betrugsopfer, "und jetzt sehe ich aus wie ein Dummkopf."
Madhu Grover - betrogene Betrügerin?
Doch Madhu Grover ist offenbar nicht nur Opfer, sondern auch Täterin. Die Finanzexpertin steht in mehreren Verfahren in New York vor Gericht. Sie soll unter anderem ihren amerikanischen Ex-Partner James Busche um mehrere Millionen Dollar betrogen haben. Der Supreme Court des Staates New York entschied 2018, sie müsse knapp 1,8 Millionen Dollar an ihren ehemaligen Lebensgefährten bezahlen. "Sie ist völlig amoralisch. Sie ist eine Art Borderline-Soziopathin", schimpft Busche heute.
Der US-Geschäftsmann heiratete Madhu Grover 2009 in dem Glauben, sie sei von ihrem ersten Mann Manish geschieden. Erst Jahre später kommt heraus, dass sie noch verheiratet war. Als Busche zu Grover sagt, er wolle sich scheiden lassen, habe sie geantwortet: "Das ist nicht nötig. Unsere Ehe ist nicht gültig. Ich bin immer noch mit Manish verheiratet."
Vor Gericht in New York wird sie nicht nur der Bigamie, sondern auch weiterer Falschaussagen unter Eid überführt. Unter anderem hatte sie den indischen und den US-Behörden für ihre beiden Pässe unterschiedliche Geburtsjahre angegeben. "Miss Grover war völlig unglaubwürdig", erklärte Richterin Ellen F. Gesmer 2016. "Deshalb kann und werde ich mich auf nichts verlassen, auf keine Aussage von Miss Grover."
Komplizin von Vossen? - Grover und ihre Anwältin reden nicht
Die gebürtige Inderin hatte nach der Trennung von James Busche eine Beziehung mit Felix Vossen, wie sie gegenüber anderen Vossen-Opfern erklärte. Ob die 55-Jährige auch direkt in seinen Anlagebetrug an etwa 30 engen Freunden und seinen Eltern involviert war, ist unklar. In der Gruppe der Betrogenen war Madhu Grover nach Vossens Flucht 2015 sehr aktiv und engagiert, erzählen Mitglieder der Opfer. Per Mail und in Schaltkonferenzen lieferte die New Yorkerin Informationen über den Deutschen, konnte aber auch verfolgen, mit welchen Annahmen Behörden, private Ermittler und Anwälte ermittelten.
Manche halten Grover heute - mit dem Wissen um die Betrugsvorwürfe gegen sie - deshalb für eine Komplizin Vossens. "Sie war wahrscheinlich eine Spionin", sagt Vivien Harper, wie sie genannt werden will. "Die Gruppe hatte viel Mitgefühl für andere Opfer. Und sie hat das ausgenutzt." Grover und ihre Anwältin wollten auf Fragen von NDR Info nicht antworten.
Keine Spur von Felix Vossen
Felix Vossen war gar nicht nicht zu erreichen, sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Der heute 50-Jährige war nach einem Jahr auf der Flucht 2016 in Spanien mit gefälschten Papieren verhaftet worden. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn zu einer sechsjährigen Haftstrafe. 2020 kam er vorzeitig frei. Anschließend wurde der Deutsche nach neuen NDR Recherchen in Valencia wegen Dokumentenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt sowie zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die aber zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wo Vossen seit seiner Freilassung ist, scheint niemand aus seinem früheren Freundeskreis zu wissen, obwohl einige Vossen in der JVA Pöschwies bei Zürich besucht hatten.
Russell Hicks, der durch den Betrüger ein Vermögen verloren hat, war überrascht, "dass er keinerlei Reue für die Verletzungen äußerte, die er verursacht hat, für den Schaden, den er angerichtet hat, für die Menschen, die er ruiniert hat". Der ehemalige britische Immobilienmakler beschreibt Vossen als vor allem selbstsüchtigen Menschen: "Ihm ging es mehr darum, warum und wo er Fehler gemacht hatte. Es war alles sehr: ich, ich, ich."