Sendedatum: 14.01.2014 21:15 Uhr

Unklug? Scholz' harte Linie in Hamburg

von Jörg Hilbert, Andrej Reisin, Volkmar Kabisch

Wie die aktuelle Umfrage von Panorama 3 zeigt, ist die Mehrheit der Hamburger mit dem Kurs von Olaf Scholz einverstanden. Die Ausweisung der Gefahrengebiete sei angemessen  gewesen, auch wenn unklar sei, ob der Bürgermeister sie politisch für sich nutzen kann. 

Außerhalb der Stadt herrscht vor allem Ratlosigkeit. Vielerorts fragt man sich, was in Hamburg in den vergangenen Wochen los ist. Fast tägliche Demonstrationen, Wasserwerfer in den Straßen, zerstörte Polizeiwagen. Ausschreitungen und Gewalt in diesem Umfang hat die Stadt seit langem nicht erlebt. Seit gestern sind die "Gefahrengebiete" bzw. die verkleinerten "Gefahreninseln" rund um drei Polizeireviere aufgehoben, doch die Irritationen bleiben. 

Der Mann im Hintergrund

Der Mann, der für den Kurs in der Stadt  verantwortlich zeichnet, der mit absoluter Mehrheit regierende Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), bleibt in diesen Tagen im Hintergrund. Er äußert sich - wenn überhaupt - nur in schriftlichen Interviews zum Konflikt.  Auch Panorama 3 bekommt am Ende trotz bestätigten Interviewtermins eine Absage: Lediglich der Sprecher des Hamburger Senats, Christoph Holstein, ist zu einer Stellungnahme vor der Kamera bereit, verteidigt das Vorgehen seines Chefs.

Der Kleidung nach "linkes Spektrum"

Anwohnerin mit "typisch autonomem Kleidungsstil"
Aufgrund der Kleidung Teil des linken Spektrums? Diese Frau erhielt Aufenthaltsverbot im Gefahrengebiet - obwohl sie dort wohnt.

Auch in den "Gefahrenbereichen" vermisst man ein Wort des Bürgermeisters. "Wo ist Olaf Scholz? Hier gibt es einen Ausnahmezustand - und unser Bürgermeister hat noch nicht ein Wort dazu gesagt. Das finde ich erschreckend und enttäuschend", so ein Anwohner. Stattdessen werden 80.000 Bewohner unter Generalverdacht gestellt, können jederzeit kontrolliert werden. "Mir wurde gesagt, ich sei aufgrund meiner Kleidung dem linken Spektrum zuzuordnen", so beklagt sich eine junge Frau. "Ich bekam ein Aufenthaltsverbot. Aber ich wohne im Gefahrengebiet und will in meinem Bett schlafen. Da haben sie mir gesagt, ich darf das weiterhin und auch hier einkaufen, aber ich darf mich nicht zusammen mit anderen Menschen auf der Straße bewegen." 

Behördenleiter statt Stadtvater

Der Kriminologe Dr. Nils Zurwaski von der Universität Hamburg bewertet die getroffenen Maßnahmen und die Abwesenheit des Bürgermeisters ebenfalls kritisch: "Eine Großstadt wie Hamburg mit einem Einzugsbereich von vier Millionen Menschen kann man nicht nur mit Ordnungspolitik regieren. Da muss man eine intelligente Idee haben." Scholz agiere nicht wie "ein Stadtvater, sondern wie der Behördenleiter von Hamburg."

Doch Scholz scheint sich in der Rolle des Ersten Ordnungsmeisters zu gefallen. Egal ob es um Obdachlose geht oder auch die sogenanntenLampedusa-Flüchtlinge, stets verfolgt Olaf Scholz die Politik der harten Hand. Die Obdachlosen mussten schon vor einem Jahr den Bahnhofsvorplatz räumen, nachdem die Stadt der Bahn das Hausrecht übertrug. Und im Herbst  ließ der Senat nur wenige Tage, nachdem im Mittelmeer hunderte Menschen ertrunken waren, großflächig nach illegalen Flüchtlingen suchen. Der Vorwurf fehlenden Gespürs ging ins Leere. Es sei Aufgabe der SPD, für Recht und Ordnung zu sorgen, so meinte Olaf Scholz noch Anfang der Woche  gegenüber der "Süddeutschen Zeitung": "Leute, die das nicht mögen, finden es eben nicht gut."  Und die haben sich in den vergangenen Wochen bemerkbar gemacht.

 

 

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 14.01.2014 | 21:15 Uhr

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