Soziale Arbeit in Moscheen soll gestärkt werden
Für soziale Arbeit in muslimischen Gemeinden fehlt oft die entsprechende Struktur. Ein Verein will das nun ändern und engagiert sich.
Egal ob Suchthilfe, Seelsorge oder Kinderbetreuung: Soziale Arbeit wird in muslimischen Gemeinden ähnlich wie in den Kirchen schon immer geleistet. Doch oftmals fehlen professionelle Strukturen wie zum Beispiel Ansprechpartner*innen, Selbsthilfegruppen und damit auch die Möglichkeit, Projektgelder zu beantragen. Es gibt eben keine muslimische Variante der Diakonie oder Caritas.
"Vernetzt und Aktiv" ist ein Projekt des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, das vom Bundesinnenministerium finanziert wird. Es soll alevitischen und muslimischen Gemeinden dabei helfen, soziale Strukturen in ihren Gemeinden zu professionalisieren. Das Projekt läuft aktuell in mehreren Gemeinden in Berlin, Schleswig-Holstein und Hamburg.
Muslimische Gemeinde: Mehr als ein religiöser Ort
Wie die Arbeit aussehen kann, zeigt sich in der Al-Nour Gemeinde in Hamburg-Horn. Mehr als ein Jahr haben dort sogenannte Multiplikator*innen an einer Fortbildung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands teilgenommen. Sie sind jetzt in der Gemeinde Ansprechpartner*innen und Expert*innen für Themen wie Rassismus, sexuelle Gewalt oder Spielsucht.
Der Vorsitzende der Gemeinde Daniel Abdin war von Anfang an begeistert: "Eine Gemeinde als Gebetshaus oder religiöser Ort reicht mir nicht. Eine Gemeinde muss auch eine Institution sein, die auch im Bereich der Altenpflege, der Wohlfahrtspflege, der Integration, der Inklusion aktiv ist."
Nicht gebunden an religiöse Werte
Die drei Gemeinden, die zurzeit in Hamburg bei "Vernetzt und Aktiv" mitmachen, haben ganz unterschiedliche Zielsetzungen und Bedürfnisse. Während der Alevi Kültür Merkezi e.V. in Bergedorf zum Beispiel eine Kita aufbauen möchte, war die Al-Nour Gemeinde auf der Suche nach "Hilfe zur Selbsthilfe". Die ehrenamtliche Arbeit habe sich durch die Fortbildung professionalisiert, berichtet Teilnehmerin Vivian Abdin. Die Studentin der Sozialökonomie ist jetzt Ansprechpartnerin für das Thema Rassismus: "Es ist wichtig, dass die Menschen nicht einfach ins kalte Wasser geworfen werden, sondern dass sie den Themen Schritt für Schritt näher gebracht werden. Wir wollen so vermeiden, dass andere abgeschreckt werden."
Zunächst möchte sie in ihrer Gemeinde Menschen helfen, die Rassismus erleben. Sie könnte sich aber auch vorstellen, in Zukunft außerhalb der Gemeinde Vorträge über das Thema zu halten, um zu sensibilisieren. Von "Vernetzt und aktiv" sollen nicht nur die Gemeindemitglieder profitieren, erklärt Projektmitarbeiterin Ezgi Tatar vom Paritätischen Wohlfahrtsverband: "Die Angebote sind für alle offen. Es werden keine religiösen Werte vermittelt. Natürlich liegt immer die freiheitliche und demokratische Werteorientierung zugrunde - das ist selbstverständlich."
Wichtiges Signal für die Gesellschaft
Ein Großteil ihrer Arbeit bestehe darin, die Gemeinden dabei zu unterstützen Förderrichtlinien zu finden, Projekte zu konzipieren und diese dann auch zu beantragen, erklärt Ezgi Tatar. Das Stichwort ist Empowerment. Die Gemeinden sollen lernen, nachhaltige Strukturen aufzubauen. Die Arbeit in den alevitischen und muslimischen Gemeinden sei lange finanziell vernachlässigt worden. Es sei daher ein gutes Signal, dass Politik und Gesellschaft sich mehr öffnen und allen Bürger*innen die Möglichkeit geben, sich wohlfahrtspflegerisch zu beteiligen, meint Ezgi Tatar.
Der Gemeindevorsitzende Daniel Abdin glaubt, dass sich die Kooperation darüber hinaus auch positiv auf die Position seiner Gemeinde in der Gesellschaft auswirkt: "Für mich ist es eine neue Erfahrung und eine große Freude, dass die Gemeinde mehr Selbstbewusstsein entwickelt, sich mehr öffnet. Ich denke, dass viele davon dann auch profitieren."