Schwimmen lernen für Kinder: Wie Hamburg mit Corona-Folgen kämpft
Während der Corona-Pandemie konnten Kinder nicht schwimmen lernen, weil die Bäder geschlossen waren. Danach startete die Stadt eine Schwimmoffensive, um den Rückstand aufzuholen. Was hat sich seitdem getan?
Nur noch wenige Schwimmzüge, dann hat es Maila geschafft: "Ich wollte schon fast aufgeben, aber dann bin ich einfach weitergeschwommen. Und jetzt habe ich endlich mein Seepferdchen“, sagt das Mädchen im Schwimmkurs in Hamburg-Harburg stolz. Die Glücksmomente ihrer Schwimmschüler und Schwimmschülerinnen sind Juliane Eiseles Antrieb: Mehrmals wöchentlich gibt sie in ihrer Schwimmschule Unterricht. Hauptberuflich ist sie als Lehrerin tätig. Zusammen mit ihrem Mann, der als Polizeihauptkommissar arbeitet, kämpfte sie schon vor Corona mit einer Initiative für ein Lehrschwimmbecken in Hamburgs Süden. Nach Corona gründeten sie den Verein "Yes We Swim" und wurden ehrenamtliche Schwimmtrainer. Ihr Antrieb: die hohe Zahl der Nichtschwimmer in ihrem Stadtteil.
Vor allem in Stadtteilen mit Haushalten mit geringen Einkommen ist die Lage dramatisch: Laut der Antwort des Senats auf eine Anfrage im Jahr 2022 hatten in dem Jahr nur 33,3 Prozent der Viertklässler und Viertklässlerinnen in Harburg das Bronzeabzeichen erreicht. Das Schlusslicht bildete der Stadtteil Rothenburgsort, wo nur 7 von 100 Grundschülern und -schülerinnen das Freischwimmer-Abzeichen erhielten. Diese Zahlen haben sich im Schuljahr 2023 nach Angaben der Hamburger Schulbehörde verbessert - dennoch ist die Schwimmfähigkeit der Kinder in diesen Stadtteilen im Vergleich weiterhin niedrig.
"Wir müssen den Menschen Überlebenstechniken beibringen: In jedem Sommer zerreißt es das Herz, wenn es in den Nachrichten heißt: Wieder ist ein Jugendlicher ertrunken", sagt Juliane Eisele. Ihr Ziel: Sicherheit geben, Ängste nehmen. Die Teilnahme an den "Yes We Swim"-Kursen kostet 120 Euro - egal wie lange die Kinder bis zum Erwerb des Seepferdchen-Abzeichens brauchen. Bürgergeldempfangende zahlen hier nichts. Eine Ausnahme, denn je nach Anbieter kommen oft mehrere Hundert Euro für einen Schwimmkurs zusammen, dazu gibt es lange Wartezeiten.
Bäder während Corona-Zeit geschlossen
Während der Corona-Zeit waren die Bäder geschlossen, die Nachfrage nach Schwimmkursen stieg. 2021 startete die Stadt deshalb eine allgemeine Schwimmlernoffensive: Schwimmbäder wurden zunächst nur für Schwimmlernkurse geöffnet. Die Kosten für die Kurse übernahm die Stadt. Im ersten Jahr besuchten zusätzlich mehr als 4.000 Kinder Schwimmkurse. Mehr als jedes vierte darunter machte sein Seepferdchen. 2022 nahmen fast 8.000 Kinder teil, 2.586 erreichten das Seepferdchen und 1.576 Bronze. Im vergangenen Jahr nahmen fast 7.000 Kinder teil.
Der Rückstau durch Corona konnte in den vergangenen Jahren so etwas aufgeholt werden. Während 2020/21 nur 41,5 Prozent der Grundschüler den Freischwimmer hatten (Bronze), waren es im Jahr 2022 57,6 Prozent. Dennoch liegen die Zahlen weiter unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie.
Schwimmlehrer fehlen
Auch die Zahl der Ausbilderinnen und Ausbilder für Schwimmkurse reicht nicht, um die Nachfrage zu decken. Es fehlt an Schwimmlehrern und -lehrerinnen. Die Gründe sieht Michael Schumann vom Hamburger Schwimmverband unter anderem im Weggang oder Ausscheiden älterer Trainer und Trainerinnen. Junge Erwachsene würden häufig nach ihrer Ausbildung wegziehen. Und auch diejenigen, die sich während der Corona-Zeit neue Hobbys gesucht haben, fehlten jetzt. Der NDR hat deshalb im Mai zusammen mit der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), "Active City" und Bäderland die Aktion "Welle machen" gestartet, bei der nach Hamburgerinnen und Hamburgern gesucht wird, die sich zu Schwimmlehrern und -lehrerinnen ausbilden lassen.
Beim Verein "Yes We Swim" kämpfen die Gründer hingegen derzeit vor allem mit den Kosten. Ihre Rechnung: 2.000 Euro Minus pro Kurs. Dieses Jahr ist die Summe durch Spenden abgedeckt. Für das Jahr 2025 ist die Situation ungewiss.
Hinweis aus der Redaktion: Die Zahlen zur Schwimmfähigkeit von Viertklässlerinnen aus dem Jahr 2023 wurden durch die neuen Angaben der Behörde für Schule und Berufsbildung ergänzt.