SPD Harburg: Parteiordnungsverfahren gegen türkisch-stämmige Hoffnungsträger?
Der Streit in der Harburger SPD zwischen deutsch- und türkischstämmigen Genossen eskaliert weiter. Mit einem Parteiordnungsverfahren soll jetzt zwei führenden Mitgliedern die Wahrnehmung ihrer Rechte in der Partei für drei Monate untersagt werden.
Verantwortlich für den Antrag auf "Sofortmaßnahmen" zeichnen drei Harburger SPD-Distrikte. In dem Papier, von dem NDR Info Kenntnis erlangt hat, und das an den Hamburger SPD-Landesvorstand gerichtet ist, werden schwere Vorwürfe an zwei prominente SPD-Mitglieder aus Harburg gerichtet. Es handelt sich um Mehmet Kizil, Kreisvorstandsmitglied und Vorsitzender im SPD-Distrikt Hausbruch und Benizar Gündogdu, stellvertretende Kreisvorsitzende und Vorsitzende des Distrikts Harburg Ost.
Strafverfahren eingeleitet
Vorgeworfen wird ihnen von den Antragstellern zweierlei: Sie seien Beschuldigte in einem Strafverfahren, bei dem es um Beschädigungen und Diebstahl von SPD-Wahlplakaten geht. Sie werden in dem Verfahren als Anstifter und angebliche Mitwisser geführt. In dessen Folge hatte es Hausdurchsuchungen bei insgesamt sechs SPD-Mitgliedern gegeben.
Schlechte Schlagzeilen vor der Wahl als Vorwurf
Zur Last gelegt wird ihnen außerdem, dass dieses Strafverfahren Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung geworden ist. Deshalb, so die Antragsteller, sei der Partei schwerer Schaden entstanden. Dies rechtfertige im Vorfeld der Aufstellung der Kandidaten zur Bürgerschaftswahl die dreimonatige Entziehung der Mitgliedsrechte, heißt es in dem Antrag. Will heißen: Sie dürften in dieser Zeit für die Partei praktisch nicht aktiv werden.
Sowohl Gündogdu als auch Kizil gelten bisher als aussichtsreiche Bewerber für die Kandidatenliste der SPD Harburg um ein Bürgerschaftsmandat. Diese Liste soll in der zweiten Septemberhälfte erstellt werden. Beide wollen sich derzeit nicht zum Stand des Verfahrens äußern.
Verteidiger spricht von Kampagne
Allerdings hat Kizils Strafverteidiger Mathias Frommann, selbst langjähriges SPD-Mitglied, im Gespräch mit NDR Info seine Zweifel an dem Strafverfahren erneuert. Er sieht unter anderem gravierende Widersprüche in den Aussagen der Belastungszeugen des Verfahrens und spricht deshalb von einer inszenierten Kampagne gegen seinen Mandanten. Den Antrag auf zeitweiligen Entzug der Mitgliedsrechte der beiden SPD-Mitglieder kommentiert er mit den Worten: "Ich bin tief enttäuscht - so etwas hätte ich von meiner Partei nicht erwartet."
"Räuberpistole": Parteienrechtler nennt Antrag unzulässig
Nicht viel anders blickt der Kölner Rechtsanwalt und Fachmann für Parteienrecht Markus Kompa auf den Fall. Er ist Rechtsvertreter von Kizil und Gündogdu im SPD-internen Streit und hält den Antrag aus Harburg schon aus formalen Gründen für unzulässig. In der Sache spricht er von einer "Räuberpistole", deren einziger Zweck der Entzug von Mitgliederrechten sei. Zugleich verweist er auf die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung, die trotz des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zu gelten habe.
Der Hamburger SPD-Landesverband wollte eine Anfrage von NDR Info, auch hinsichtlich der Unschuldsvermutung, unter Hinweis auf Parteiinterna nicht beantworten.