Roboterhunde sollen Bauwerke überwachen und schützen
Auch in der Bauindustrie ist künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch: So wird an der TU in Hamburg-Harburg daran geforscht, Gebäude mit Hilfe von Roboterhunden zu überwachen und sicherer zu machen.
Deutschlands Infrastruktur bröckelt. Laut Statistischem Bundesamt gelten gut zehn Prozent aller Brücken an Bundesfernstraßen als dringend sanierungsbedürftig. Ganz ähnlich sieht es bei den rund 26.000 Bahn-Brücken aus, deren Durchschnittsalter bei fast 74 Jahren liegt. Fast die Hälfte aller Brücken ist älter als 100 Jahre. Ein Milliardenaufwand wird nötig sein, um die Bauwerke zu erneuern oder zu reparieren. Solche Bauwerke müssen hierzulande alle sechs Jahre umfangreich überprüft werden. Dabei klopft oder tasten Inspekteure das Bauwerk zentimeterweise ab. Alle drei Jahre gibt es eine einfache Prüfung.
Zu wenig Personal, um Infrastruktur zu verbessern
Insbesondere Bauingenieur*innen sind gefragt, um die statischen und konstruktiven Verhältnisse am Bauwerk zu beurteilen und werden dringend gesucht: Seit Jahren liegt die Zahl der offenen Stellen deutlich über der Zahl der Arbeitssuchenden. 2022 stehen einem arbeitslosen Bauingenieur drei offene Stellen gegenüber. Wie kann man also trotz Fachkräftemangel dem Sanierungsstau beikommen? Zum Beispiel mithilfe künstlicher Intelligenz und digitaler Sensoren. An der Technischen Universität in Hamburg-Harburgwird derzeit daran geforscht, Brücken, Hochhäuser oder Talsperren mittels Roboterhunden zu überwachen.
Roboter untersucht Zustand des Bauwerks
Dieser digitale Laufroboter soll eines Tages Bauwerke wie Hochhäuser, Brücken, Schleusen, Kanäle oder Talsperren überwachen und bei Auffälligkeiten selbstständig Alarm schlagen, erklärt Projektleiter Kay Smarsly, Professor am Institut für digitales und autonomes Bauen: "Bei der Baurobotik muss man im Groben zwei Richtungen unterscheiden: Das eine sind Roboter, die auf der Baustelle wirklich Aufgaben übernehmen, wie Mauern, Verputzen oder Beton drucken. Das sind Fertigungsroboter. Das andere sind Robotersysteme, die angewendet werden, wenn das Bauwerk schon steht. Das heißt, wir haben Roboter, die das Gebäude mit Laserscannern, Fotos und anderen Sensoren aufnehmen. Im Moment befassen wir uns mit diesem sogenannten Bauwerksmonitoring. Wir wollen also wissen, wie der Zustand des Bauwerks ist." Dafür sollen Roboterhunde auf Baupatrouille gehen und auffällige Messdaten melden - etwa ob Betonwände feucht oder rissig sind.
Wie ein Pudel mit Laserscannern
Von seiner Gestalt und seinen Proportionen erinnert der Roboterhund-Prototyp tatsächlich an den besten Freund des Menschen: Der I-Dog ist so groß wie ein Pudel. Er hat zwei Vorder- und zwei Hinterbeine - nur dass dort, wo sonst die Augen sitzen, Sensoren eingebaut sind. Diese erfassen mit Laserscannern die Umgebung: "Die Idee ist, dass sie tatsächlich Gassi gehen, um die Umgebung zu lernen", erklärt Smarsly. "Es ist nach wie vor Forschungsgegenstand, dass die Hunde sich wirklich verorten können; dass sie wissen, wo sie genau sind und das auch autonom machen."
System ist automatisiert und relativ kostengünstig
Smarsly und seinem Team geht es nicht darum, den besten oder effizientesten Roboterhund zu bauen. Der Fokus liegt auf den eingebauten Sensoren und der Analysesoftware auf Basis künstlicher Intelligenz. Sie sollen auffällige Messdaten melden, die auf Schwachstellen in Bauwerken, wie etwa Betonrisse, hinweisen. Das erleichtere nicht nur die Bauarbeiten, sondern mache die Gebäude sicherer, so Kay Smarsly und verweist auf erste Tests an der zweitlängsten Straßenbrücke Deutschlands, die sich im Hamburger Hafen befindet: "Die Köhlbrandbrücke beispielsweise kann man nicht Quadratzentimeter für Quadratzentimeter auf Risse untersuchen. Mit KI-Algorithmen können wir das automatisiert und relativ kostengünstig machen. In Verbindung mit den Sensoren, die im Gebäude verbaut sind, wird es noch etwas genauer."
Roboter erfassen Daten der Sensoren
Das heißt, heute schon können Sensoren direkt in Wände verbaut werden, um etwa Feuchtigkeit oder Vibrationen zu messen. Das Problem: Wie bekommt man die Daten aus der Wand heraus? Würden Antennen aus den Wänden herausschauen, ist der Beton nicht mehr dicht und Korrosionsschäden beim Bewehrungsstahl wären wahrscheinlich. Die Lösung: Roboterhunde laufen autonom durch das Haus, gehen an den Wänden vorbei und erfassen die Messdaten der Sensoren, die fest im Beton verbaut sind: "Unsere Vision ist, dass man das Ganze koppelt. Das Ziel sind Roboterflotten, die miteinander kommunizieren und wirklich ein ganzheitliches Bild zeichnen. Durch diese Kopplung, die Sensordatenfusion, kriegen wir ein relativ ganzheitliches Bild, können es dann in ein digitales Modell einpflegen. Das wird dann der digitale Zwilling eines Bauwerks. Anhand dessen können wir dann entscheiden, wo genauer hingeguckt oder wie investiert wird."
Technologie, um Flutkatastrophen zu verhindern?
Dringend nötig sei ein funktionierendes und vorausschauendes Sanierungsmanagement, sagt Wissenschaftler Kay Smarsly. Roboterhunde könnten dabei helfen zu entscheiden, wann welche Brücke saniert werden muss. Hätte man so den Einsturz der Morandi Brücke in Genua verhindern können oder die Sperrung der wichtigen Autobahntalbrücke Rahmede bei Lüdenscheid? Kay Smarsly denkt dazu: "Man hätte sicherlich Genua verhindern können, wenn man Sensoren verbaut hätte und frühzeitig gesehen hätte, wo sich etwas anbahnt. Auch im Hinblick auf die Flutkatastrophe bin ich der Meinung, dass man durchaus über Sensorsysteme nachdenken könnte. Das sind Beträge von wenigen Euro. Man hat die Sensoren und die KI-Algorithmen. Das ermöglicht Alarme in Echtzeit. Vielleicht hätte man auch einiges verhindern können."