Parteitag: Grüne wollen Hamburg zur "15-Minuten-Stadt" machen
Die Hamburger Grünen haben sich am Sonnabend zu einem Landesparteitag im Bürgerhaus in Wilhelmsburg getroffen. Zwei Schwerpunkte waren dabei der bezahlbare Wohnraum und auch die Stadtentwicklung.
Hamburg soll, geht es nach den Grünen, zu einer nachhaltigen "15-Minuten-Stadt" werden. Einem entsprechenden Leitantrag des Landesvorstands stimmte die Mitgliederversammlung am Sonnabend in Wilhelmsburg einstimmig zu. Der Antrag sieht vor, dass alles, was man zum Leben benötigt - also beispielsweise Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheitsversorgung, Freizeitangebote, Bildungsstätten - binnen 15 Minuten erreicht werden kann - "und zwar überall in der Stadt", betonte der stellvertretende Landesvorsitzende Leon Alam.
Zentrale Anker müssten auch am Stadtrand lebendige Stadtteilzentren sein. Auch dort müsse es möglich sein, ohne Auto auszukommen. Weil in Randlagen aber oft weder Bus noch Bahn führen, müssten Angebote zur Anbindung an das HVV-Netz flächendeckend ausgeweitet und dort kostenlos angeboten werden, "wo es keine Alternativen gibt", ergänzte Alam.
Forderung: "Mieten müssen runter"
Außerdem wollen die Grünen gegen Mietpreissteigerungen vorgehen. Sie wollen die "Wohnungspolitik noch stärker am Gemeinwohl" ausrichten und dafür sorgen, dass Vermieterinnen und Vermieter nur geringere Kosten und Investitionen auf die Mieter "abwälzen" können. "Denn eines ist klar: Die Mieten müssen runter", sagte Alam. Mindestens die Hälfte der neuen Wohnungen solle gefördert werden. Seine Partei wolle auch mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau stecken, so Alam. Die Grüne Jugend konnte sich allerdings mit einem Änderungsantrag, der "eine Vergesellschaftung profitorientierter Wohnungskonzerne" vorsah, nicht durchsetzen.
Doppelspitze im Landesvorstand angestrebt
Alam und die Grünen-Landesvorsitzende Maryam Blumenthal wollen im Sommer für eine weitere Amtszeit kandidieren - und zwar als gleichberechtigte Doppelspitze. Um das zu ermöglichen, beschloss der Parteitag mit der nötigen Zweidrittelmehrheit eine Satzungsänderung zur Festschreibung einer Doppelspitze im Landesvorstand. So soll laut Antrag ein "auf Kooperation und Machtteilung basierendes modernes Führungsverständnis" auch in Hamburg umgesetzt werden, als letztem Landesverband. Die Regelung wird bei der Neuwahl des Landesvorstands im Juni erstmals zum Einsatz kommen.
Früher Startschuss für die Bezirksversammlungswahlen
Gut ein Jahr vor den Europa- und Bezirksversammlungswahlen setzte die Landesmitgliederversammlung zudem eine Wahlkampfkommission ein. Sie soll ihre Arbeit im April aufnehmen und einen einheitlich grünen Wahlkampf über Bezirksgrenzen hinweg sicherstellen. Bei den letzten Bezirksversammlungswahlen im Jahr 2019 hatten die Grünen zum ersten Mal die SPD als stärkste Kraft in der Stadt hinter sich gelassen. In zwei Bezirken stellen sie die Bezirksamtsleitungen. "Wir hätten gerne noch mehr - und das schaffen wir beim nächsten Mal", sagte dazu Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank am Sonnabend.
Nouripour: "Tempolimit muss kommen"
Viel Applaus bekam der Grünen-Bundesvorsitzende Omid Nouripour, der von den Koalitionspartnern im Bund mehr Engagement beim Klimaschutz forderte. Trotz Ablehnung der FDP müsse alles dafür getan werden, "dass es ein Tempolimit gibt". Auch verstehe er nicht, warum weiter Autobahnen gebaut werden müssten. Anders als die SPD hätten die Grünen längst erkannt, "dass eine Abhängigkeit von russischen Fossilen zu einer Abhängigkeit führen kann und dass wir sie abbauen wollen", sagte er. Die SPD habe es nicht geschafft, sich rechtzeitig vom Erbe Gerhard Schröders zu entfernen und habe so zur aktuellen Energiekrise beigetragen. Dass die Grünen LNG-Terminals und dem Streckbetrieb von Atomkraftwerken zugestimmt hätten, sei nicht leicht gefallen und angesichts der aktuellen Notwendigkeiten geschehen. Die Grünen hätten auch als große Partei ihre Ziele nicht aus dem Blick verloren.
"Mehr Solidarität und Zusammenhalt"
Angesichts von Krisen und Katastrophen begannen die Grünen ihren Landesparteitag aber mit einem Appell für mehr Solidarität und Zusammenhalt. "Seit 366 Tagen herrscht Krieg mitten in Europa", sagte Landesvorsitzende Maryam Blumenthal zum Beginn der Mitgliederversammlung im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Mehr als 30.000 Menschen aus der Ukraine hätten inzwischen in Hamburg Schutz vor dem russischen Angriffskrieg gesucht. Der Krieg zeige, "wie zerbrechlich das Leben eigentlich ist".
Außerdem erinnerte Blumenthal an die Opfer von Krieg und Vertreibung aus Syrien und Afghanistan, an die iranischen Frauen im Kampf gegen das "mordende Terrorregime" in Teheran und die Menschen im Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien. Heimat sei etwas Selbstverständliches, wenn man sie hat, "aber schmerzlich, wenn man sie verliert", so die Landesvorsitzende.