Kommentar: HSV-Vorstand Kuntz hat keine leichte Aufgabe
Der HSV geht ins siebte Jahr 2. Liga. Kann die Rückkehr in die Bundesliga unter der Verantwortung des neuen Sportvorstands Stefan Kuntz endlich gelingen? Es wird nicht einfach, meint Lars Pegelow in seinem Hamburg-Kommentar.
Zunächst eine kleine Geschichte: Im Sommer 1996 bin ich als junger Mensch über den Jungfernstieg geschlendert. Ein Fernsehteam sprach mich an, ich glaube vom NDR. Gerade lief die Fußball-Europameisterschaft in England - das Halbfinale stand an, Deutschland gegen England, und die Fernsehleute wollten wissen: Was muss Bundestrainer Berti Vogts machen, damit Deutschland gewinnt? Meine Antwort damals: Kuntz muss spielen. Fußball-Experten wissen, was passiert ist. Kuntz spielte, Kuntz schoss das Tor für Deutschland, es ging ins Finale und wir wurden Europameister. Ich fühlte mich nach meiner Top-Prognose als heimlicher Bundestrainer - und seither habe ich bei Stefan Kuntz immer ein bisschen genauer hingeguckt, wie seine Karriere weiter verlaufen ist.
Der HSV hat sich mit der 2. Liga arrangiert
Die Eigenschaften, die mir an dem Spieler Stefan Kuntz imponiert haben, die haben sich auch durch seine Laufbahn danach gezogen: Ehrgeiz, Erfolgshunger, Einsatz. Und das Ganze immer mit dem menschlichen Blick auf das manchmal knüppelharte Profi-Geschäft. Der HSV braucht eine Menge Ehrgeiz, Erfolgshunger und Einsatz, um im siebten Anlauf endlich den Sprung zurück zu schaffen in die Bundesliga. Mein Eindruck bei den Zweitliga-Spielen auf der Tribüne, das was ich höre von den Leuten in der Geschäftsstelle oder nah an der Mannschaft, ist: Der HSV hat sich zu sehr mit der 2. Liga arrangiert.
Zu viel Jubel, zu wenig interne Kritik
Die Spieler werden mit ihren Spitznamen Bobby, Baka, Latzi oder Bascho angesprochen. Niedlich. Macht jemand einen Fehler, wird er im Kollektiv aufgefangen. Interne Kritik? Offenbar Mangelware. Kritisiert werden die Kritiker von außen. Trainer Steffen Baumgarts Verhältnis zu den Medien ist schon nach drei Monaten angeschlagen. Gewinnt der HSV das Derby gegen St. Pauli, jubelt die Kurve. Und die Kurve jubelt auch, wenn das nächste Spiel in Paderborn - also das Spiel, wo es wirklich wehtut, in dem sich entscheidet, wohin der Weg geht - wenn dieses Spiel sang- und klanglos hergeschenkt wird. Die Kurve jubelt. Tenor: Hauptsache die Stimmung ist gut.
Eine zu große Aufgabe für nur eine Person?
Stefan Kuntz ist in der Verantwortung, diese Selbstzufriedenheit herauszukriegen aus dem gesamten HSV. Er bringt die richtige Einstellung mit, aber: Es besteht die Gefahr, dass diese Aufgabe für einen allein zu groß ist. Der Aufsichtsrat hat davor zurückgeschreckt, den Job von Jonas Boldt, der eigentlich zwei Jobs hatte - also CEO und Sportvorstand - auf zwei Personen zu verteilen. So lastet alle Hoffnung, aller Druck auf Stefan Kuntz. 1996 bei der EM war Stefan Kuntz nicht allein. Er hatte andere Gewinnertypen an seiner Seite. Beim HSV 2024 ist das Bild anders. Kuntz trägt den gesamten Laden auf seinem Rücken. Daran kann sich auch ein Typ wie Stefan Kuntz überheben.