Kommentar: Entkriminalisierung des Schwarzfahrens entlastet Justiz
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) sind sich einig: Schwarzfahren soll keine Straftat mehr sein. Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) ist dagegen. Angesichts der leeren Kassen bei den Verkehrsverbünden sei es ein falsches Signal, das Fahren ohne Ticket zu bagatellisieren. Reinhard Postelt kommentiert.
Wer bei dem günstigen Deutschlandtickt immer wieder schwarzfährt, dem gehören eigentlich die Ohren lang gezogen. Für 49 Euro im Monat überall hin von Curslack bis Cuxhaven, von Lurup bis Lübeck: das ist wirklich billig. Da noch ohne Fahrschein zu fahren, das ist genauso blöd wie Ladendiebstahl im Ein-Euro-Shop. Nun höre ich schon die Linke: "Einzeltickets sind teuer. Und 49 Euro sind für einkommensschwache Leute viel Geld." Das stimmt, aber Hamburgs Sozialhilfeempfänger zahlen nur 19 Euro fürs Deutschland-Ticket. Nur für Obdachlose ist das kaum erschwinglich.
Mich ärgert die Chuzpe mancher Schwarzfahrer. Diese Woche kaufte sich ein teuer gekleideter junger Mann in der S-Bahn, in der ich fuhr, in dem Moment, wo die Kontrolleure einstiegen, einen Online-Fahrschein. Weil der aber erst nach zwei Minuten gilt, behauptete er, sein Handy arbeite mit Verzögerung.
Erleichterung für überlastete Justiz
40 Millionen Euro Verlust pro Jahr durchs Fahren ohne Fahrschein sind für den HVV ein herber Verlust, den der Steuerzahler ausgleicht. Auf der anderen Seite sehe ich Hamburgs Justiz. Viele Gerichte sind echt überlastet, teils dauert es Jahre bis zur Verhandlung. Sie haben also recht, Hamburgs Justizsenatorin Anna Galina und der Bundesjustizminister Marco Buschmann. Bundesweit waren die Gerichte letztes Jahr mit 148.000 Urteilen gegen illegale Mitfahrer beschäftigt. Das Ende der Strafverfolgung wäre auch eine Entbürokratisierung. Und zwar eine echte - nicht eine, die unsere Politik vollmundig verspricht, und dann wird im Amt doch wieder jeder Antrag in drei Ausfertigungen gestempelt.
Entlasten wir also unsere Justiz, damit sie sich intensiver um die schweren Kriminalfälle kümmert. Und die Strafe von 60 Euro wegen "Fahrens ohne gültigen Fahrschein" wie es so schön heißt, die bleibt ja bestehen.