Kommentar: Die Drogenprobleme in Hamburg sind außer Kontrolle
Neue Drogenbanden in Altona, tonnenweise Kokain im Hafen und immer mehr Süchtige auf der Straße, die vor die Hunde gehen. Negativschlagzeilen beherrschen seit Monaten die Medien. Das Drogenthema ist in Hamburg komplett aus dem Ruder gelaufen - und zwar gleich auf mehreren Ebenen, meint Heiko Sander in seinem Kommentar.
Polizei und Politik versagen meiner Meinung nach bei der Bekämpfung der Drogen.
Erstens: Auf der Straße
Die Zahl der Crack-Süchtigen ist stark gestiegen und damit auch die Kleinkriminalität in der Innenstadt. Dem Senat fällt aber nicht viel mehr ein, als die Menschen von der Polizei verdrängen zu lassen. Zu Hunderten lungern Abhängige mittlerweile vor dem "Drob Inn". Es ist ein elender Ort, der seinesgleichen sucht. Der Gesundheitszustand der Menschen wird immer schlechter, sagen Sozialarbeiter und -arbeiterinnen. Das ist ein strukturelles Problem, das viel zu spät erkannt wurde. Verstärkte Polizeipräsenz allein wird daran wenig ändern.
Zweitens: Drohen im Hafen Verhältnisse wie in den Niederlanden?
Es gibt zumindest Anhaltspunkte für mafiöse Strukturen auch bei uns - wie Berichte zeigen - über Hafenarbeiter, die offenbar im Auftrag von Drogen-Clans Container beiseite schaffen. Rekordfunde mit tonnenweise Kokain zeigen vor allem eines: Hamburg wird als Drogenumschlagplatz für Kriminelle immer wichtiger. Und es wird deutlich, wie wenig Zoll und Polizei dem entgegenzusetzen haben und wie schlecht unsere Terminals gesichert sind.
Aberwitzig war eine Einbruchsserie, bei der die Täter einfach über den Zaun gestiegen sind, wohl um einen Drogencontainer zu suchen. Dutzende, zumeist Niederländer, wurden festgenommen. Es war ein unwürdiges Katz- und Maus-Spiel, das offenbarte: Die ausländischen Drogenbanden nehmen unsere Polizei gar nicht ernst.
Drittens: Lokale Drogenbanden haben kaum Respekt vor der Polizei
In Altona konnte eine neue Drogenbande Fuß fassen, die öffentlich in Rapp-Videos mit Geld, Sex und dicken Autos protzt. Es sind größtenteils Hamburger Jungs, die hier geboren oder aufgewachsen sind. 200 Mitglieder soll die Gruppe inzwischen haben, die wohl große Teile des Marihuana-Handels kontrolliert. Die Polizei beteuert, man habe die Bande längst im Blick. Viele Kriminelle seien inzwischen sogar verurteilt worden. Doch der Tipp kam in vielen Fällen von der französischen Polizei. Die hatte den sogenannten Encrochat geknackt, über den viele Kriminelle kommuniziert haben. Für das Auswerten der von anderen gesicherten Beweise kann sich unsere Polizei allenfalls ein Fleißsternchen ans Revers heften. Doch mit dem Aufhellen organisierter krimineller Strukturen im Vorfeld tut sich unsere Polizei schwer. Wie sonst ist es zu erklären, dass die neue Drogenbande so groß werden konnte?
Hier haben auch andere Behörden versagt. Was tun Jugendämter und Sozialbehörde dagegen, dass junge Männer - bis heute - in den Bannkreis einer Drogenbande geraten, die inzwischen sogar in manch blutige Schießerei verwickelt sein soll. Für viele Kriminelle dürfte ein geregeltes Leben inzwischen kaum mehr attraktiv sein, heißt es bei Ermittlern und Ermittlerinnen. Auch Gefängnis schrecke da kaum noch ab. Aber wenn selbst schärfste Sanktionen nicht mehr wirken, dann ist die Drogenbekämpfung wirklich am Ende. Das dürfen die Verantwortlichen in Polizei und Politik nicht zulassen.