Kommentar: Betteln in der Hamburger U-Bahn muss ein Ende haben
Das Bettelverbot in den Hamburger U- und S-Bahnen spaltet die Stadt. Jetzt gibt es eine Petition dagegen. Wer beim Betteln erwischt wird, muss 40 Euro Strafe zahlen. Daniel Kaiser kommentiert.
Ich verstehe, dass die Hochbahn und die S-Bahn reagieren mussten. Die Hamburgerinnen und Hamburger dürfen saubere Züge erwarten und dass sie auf der Fahrt nicht behelligt werden. Und jeder, der in den letzten Monaten U-Bahn gefahren ist, weiß, dass sich die Situation verschlimmert hat.
Bestrafung der Bettler ist unangemessen hart
Nicht alle fragen höflich und freundlich nach Geld. Ich selbst bin immer wieder Zeuge geworden, wie Bettler aggressiv auftreten und Menschen bedrängen. Wer hier sagt, das sind eben Erscheinungen eines Lebens in der Großstadt, die man aushalten muss, handelt nicht verantwortlich. Es belastet das Zusammenleben in unserer Stadt. Da können allerdings die Bettler, die sich ihre Situation nicht ausgesucht haben, nichts dafür. Sie so zu bestrafen, ist unangemessen hart.
Es bricht mir doch bei jedem einzelnen mit seinem Becher und seiner Rede, die er beginnt, sobald sich die Tür des Zuges schließt, auf der Suche nach etwas zu essen und einem Schlafplatz, selbst das Herz. Und ich gebe, so oft ich kann. Ich glaube aber in Wahrheit auch: Keinem Bettler, keiner Bettlerin ist wirklich geholfen, wenn man ihn und sie betteln lässt.
Eklatantes Armuts-Problem in Hamburg
Die Diskussion zeigt, dass wir nur an einem Symptom herumdoktern. Die Verelendung von Menschen in der Innenstadt und in öffentlichen Verkehrsmitteln zeigt, dass das Problem größer ist als die Anstrengungen unserer Gesellschaft, wirklich etwas dagegen zu tun. Wir haben ein eklatantes Armuts-Problem in Hamburg. Und das Betteln in der Bahn ist da nur ein Symptom.
Mit einem Verbot oder einer Petition dagegen kommen wir doch in Wahrheit keinen Schritt weiter. Wenn man Armut in den Bahnen unsichtbar macht, verdrängt man sie nur. Als Gesellschaft wollen wir und müssen wir diesen Menschen helfen, die sich ihre Notlage ja nicht ausgesucht haben.
Senat muss Menschen in Not helfen
Wir brauchen eine neue große Aufmerksamkeit für das Thema Armut und Obdachlosigkeit. Ich meine, der Senat ist in der Pflicht, Menschen in Not zu helfen, sie auch in ihrem Elend aufzusuchen, wenn sie selbst nicht mehr die Kraft haben, um um Hilfe zu bitten. Ganz ehrlich: Das ist mein Anspruch als Steuerzahler, dass in dieser Stadt niemand betteln muss.
Hamburg muss dafür Sorge tragen, dass Menschen ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben. Das muss doch auf der Liste politischer Ziele dieser Stadt weit oben stehen. Tut es aber offenbar nicht. Das Betteln in der Bahn muss ein Ende haben - nicht zuerst wegen der Störung der Fahrgäste, sondern um der Würde dieser armen Menschen willen.