Kaum Hilfe für Obdachlose im Hamburger Süden
Sozialarbeiterinnen und -arbeiter der Diakonie schlagen Alarm: Im Süden Hamburgs gibt es kaum Angebote für obdachlose Menschen.
Obdachlose Menschen trifft man in Hamburg vor allem in der Innenstadt an, zum Beispiel rund um den Hauptbahnhof. Ganz in der Nähe hat erst im Januar dieses Jahres eine neue Tagesaufenthaltsstätte für wohnungslose Menschen eröffnet. Vom Hauptbahnhof aus starten auch die Shuttle-Busse zu den Unterkünften des Winternotprogramms. Auch mobile ehrenamtliche Hilfe konzentriert sich auf die Innenstadt.
Harburg: Großer Bezirk, aber nur wenige Straßensozialarbeiter
Aber obdachlose Menschen gibt es auch in den anderen Bezirken der Stadt. Nun haben Sozialarbeiterinnen und -arbeiter der Sozialen Beratungsstelle der Diakonie in Harburg Alarm geschlagen. Die ist zuständig für den ganzen Bezirk Harburg und für den Stadtteil Wilhelmsburg. Rund 200 Obdachlose betreut das Team der Beratungsstelle jährlich. Und dafür gibt es gerade mal eine halbe Stelle für die aufsuchende Straßensozialarbeit. Das sei viel zu wenig für den großen Bezirk, sagt Richard Luther. Die Straßensozialarbeit teilt er sich mit seiner Kollegin Ricarda Brinker. Oft sind sie mit Fahrrädern unterwegs von Neugraben-Fischbek bis Moorburg, von Wilhelmsburg bis Neuenfelde. Die ihnen bekannten Schlafplätze obdachloser Menschen im Bezirk würden sie gern öfter aufsuchen.
Obdachlosigkeit in Harburg weniger sichtbar
Es braucht dringend mehr Straßensozialarbeiter im Süden Hamburgs, sagen sie. Denn es gebe viele Menschen, die dort draußen schlafen, sie seien nur nicht so sichtbar wie in der Innenstadt, so Luther. Er erklärt: "Das liegt tatsächlich daran, dass wir ein riesiges, zersiedeltes Gebiet haben. Und ein Zelt im Wald ist schwer zu finden. Es gibt auch viele alte Industriebaracken im Hafengebiet, die nicht mehr genutzt werden, die dann von obdachlosen Menschen bezogen werden. Und da sterben manchmal auch Menschen. Es gab vor drei Jahren jemanden, der tot da rausgetragen worden ist. Das kriegt man nicht so mit, wie wenn man auf der Mönckebergstraße ganz offensichtlich obdachlos ist. Aber die Obdachlosigkeit ist tatsächlich ja die gleiche."
Keine städtischen Anlaufstellen für Obdachlose
Städtische Notschlafplätze gibt es im Hamburger Süden nicht. Einzige Anlaufstelle ist das spendenfinanzierte Harburg-Huus. Träger ist das Deutsche Rote Kreuz in Harburg. Dort können bis zu 15 Menschen übernachten, aber im Regelfall nur für drei Nächte. Dort gibt es auch eine Sozialberatung und einmal im Monat kommt das Zahnmobil vorbei. Weitere medizinische Angebote, wo sich obdachlose Menschen behandeln lassen können, gibt es nicht in Harburg.
Weite Wege ein Problem
Und das sei ein großes Problem, sagt Luther. "Die Wege in die Innenstadt sind in aller Regel zu weit für die Menschen. Es gibt einige obdachlose Menschen, die sind mobil in der Stadt unterwegs. Aber ein Großteil derer, die wir kennen, schafft den Weg nicht." Brinker ergänzt: "Und dann ist es auch so, dass sie für die öffentlichen Verkehrsmittel ein Ticket brauchen. Das kann schwere Folgen haben, wenn man mehrmals ohne Ticket erwischt wird. Das ist natürlich auch noch mal eine Hürde."
"Personalausweise bekommen obdachlose Menschen auch nur zentral in der Caffamacherreihe. Es ist ziemlich schwierig, jemanden aus Neugraben ins Bezirksamt Hamburg-Mitte zu begleiten, damit er sich dort einen Personalausweis ausstellen lassen kann", erzählt Luther. "Das braucht manchmal mehrere Tage oder Wochen, bis man da überhaupt die Motivation geschafft hat."
Bedarf in vielen Bereichen nicht gedeckt
Die beiden Sozialarbeiter sehen viele Bedarfe für Obdachlose in Harburg, die nicht gedeckt seien. Ihrer Meinung nach ist der Bezirk komplett unterversorgt. Das fange bei der medizinischen Versorgung an, gehe aber auch bis hin zu fehlenden Schließfächern, Wasser im Sommer und fehlendem Personal für die Straßensozialarbeit. Abgesehen von einigen dezentralen Suppenküchen in Kirchengemeinden gebe es keine weiteren Angebote im Bezirk. "Harburg braucht dringend Anlaufstellen für Obdachlose", fordert Luther.
Sozialbehörde will Straßensozialarbeit neu aufstellen
Die Sozialbehörde verweist darauf, dass Hamburg insgesamt über ein "umfangreiches und differenziertes Hilfsangebot für Menschen ohne Obdach verfügt". Sie prüfe auch kontinuierlich die Situation und Versorgungslage von obdachlosen Menschen in den Bezirken. Und aktuell richte sich der Blick auch und insbesondere auf Harburg und Wilhelmsburg, heißt es aus der Behörde. Zudem bearbeite sie derzeit ein Projekt zur Neukonzeption der Straßensozialarbeit. Dazu könne sie derzeit noch keine Details nennen. Aber die Sozialbehörde verhandelt derzeit auch mit dem Harburg-Huus, ob und wie sie das Projekt unterstützen kann. Es gebe Gespräche, bestätigt dessen Leiterin Rosa Schlottau. Das Harburg-Huus sucht derweil neue Räumlichkeiten - bis spätestens Ende des kommenden Jahres.