Welcome Dinner für Geflüchtete in Hamburg
Ein gemeinsames Essen ist nicht nur lecker und macht Spaß, sondern kann im besten Fall auch Leute zusammenbringen, die sich bisher nicht kannten. Genau darum geht es beim Welcome Dinner - und das "Welcome" darin richtet sich an geflüchtete Menschen. Von Privatpersonen werden sie zum Essen in die eigenen vier Wände eingeladen - und verleben nicht nur einen schönen Abend, sondern fühlen sich vielleicht auch ein kleines bisschen willkommen, wie die "NDR Info Perspektiven" im Podcast berichten.
Es ist eine kleine, gemütliche Küche im Hamburger Stadtteil Eppendorf. Julia ist hier zu Hause und gemeinsam mit ihrer Co-Gastgeberin Faline lädt sie zum Welcome Dinner. Zu Gast sind zwei junge Irakerinnen, die Schwestern Shaha und Schaymma. Der Verlauf des Abends ist noch nicht abzusehen. Werden sich hier ernsthafte Freundschaften entwickeln? Oder werden die vier eher schweigend voreinander sitzen. Ein Treffen mit völlig Unbekannten ist schließlich immer ein kleines Experiment.
Julia und Faline stellen viele Fragen und bringen das Gespräch schnell in Gang. Die beiden Schwestern erzählen, dass sie in Ottensen wohnen und aus einer Familie mit insgesamt fünf Brüdern und fünf Schwestern kommen. Shaha geht zurzeit zur Berufsschule und probiert sich in verschiedenen Jobs aus. In einer Bäckerei war sie schon. "Als Nächstes mache ich ein Praktikum bei einem Chirurgen als Arzthelferin", erzählt sie. Es ist schon ihr zweites Welcome Dinner. Beim ersten Mal war sie noch aufgeregt, aber die Erfahrung war so gut, dass sie sich gleich noch mal angemeldet hat.
Gemeinsames Essen als Baustein für eine gelungene Integration
Das Abendessen enthält keine tierischen Produkte - Co-Gastgeberin Faline ist vegan. Für die Gäste ist das nichts Ungewöhnliches. Es gibt Ofengemüse mit Rosmarin, Dips, Brot und Oliven. Nach der Arbeit musste es schnell gehen und schließlich stehe die "Begegnung und die Geste im Vordergrund", erklärt Julia. Die Gegeneinladungen auf Seiten der Flüchtlinge seien dann häufig viel opulenter. Beim Essen kommt die Runde auf ein Thema, das offenbar alle betrifft: Heiraten. Im Sommer sind die beiden zur Hochzeit ihres Cousins nach Berlin eingeladen: "Die Hochzeiten sind sehr groß. Vielleicht 1.000 Leute kommen da", erzählt Shaha. Auf ihrem Smartphone zeigt sie Bilder von der letzten Hochzeit, zu der sie eingeladen war: Haare, Kleider, Gäste - ein unerschöpfliches Gesprächsthema und ein Eisbrecher für den gemeinsamen Abend.
Julia hat das Welcome Dinner Hamburg gemeinsam mit mehreren Freunden ins Leben gerufen: "Es ging damit los, dass wir Ende 2015 einen Artikel darüber in der Zeitung gelesen haben. Damals gab es das Projekt nur in Schweden und wir haben sofort den Entschluss gefasst, es nach Deutschland zu holen." Dann ging alles Schlag auf Schlag: Zu Beginn gab es so viele Anmeldungen, dass 40 Menschen mit der Vermittlung beschäftigt waren. Aktuell hat das Hamburger Team schon wieder neue Pläne: Große Essen im öffentlichen Raum soll es geben. Ein Picknick im Park beispielsweise habe eine geringere Hemmschwelle, erklärt Faline, die auch im Team mitarbeitet.
Motto: Platz ist in der kleinsten Küche
Innerhalb der letzten vier Jahre gab es 2.700 Abendessen mit Gästen aus 37 Ländern. Die Welcome Dinner entwickelten sich bald auch in anderen Städten wie Köln und Berlin. Die Vermittlung ist denkbar einfach: Gastgeber und Gäste füllen ein Formular auf der Webseite aus. Hier können auch kulinarische Vorlieben und Abneigungen eingetragen werden. Eine Software verbindet dann beide auf Grundlage des angegebenen Datums und der Entfernung. Je kürzer die Anfahrt, desto höher liegen die Chancen für ein Wiedersehen. Dann erst werden beide Seiten kontaktiert und das Dinner-Date entsteht.
Dass keine weiteren Daten abgefragt werden, mache auch den Reiz der Sache aus, erklärt Julia. Es habe auch schon Dinner im Studentenwohnheim gegeben. Da wurde dann auf dem Boden im Kreis gegessen. Die Offenheit sei entscheidend.
Inklusion statt Ausgrenzung
Sabrina Zayak vom Deutschen Zentrum für Migrations- und Integrationsforschung weiß, wie wichtig Engagement für Neuankömmlinge in Deutschland ist: "Neben der Hilfe bei Behördengängen ist besonders das Signal wichtig: Es gibt die Möglichkeit dazuzugehören, es gibt die Möglichkeit einer Freundschaft." Die große Hilfewelle, die es im Sommer 2015 gab, sei mittlerweile abgeebbt. Aus ihren Untersuchungen zieht sie aber dennoch eine wichtige Erkenntnis: Gegenden, in denen das Engagement besonders hoch ist, verzeichnen auch kaum rechte Übergriffe.
Ein Kampf gegen rechts vom Esstisch aus? Gründerin Julia ist immer noch dabei und organisiert Essen. Mittlerweile berät sie auch Organisatoren in anderen Städten, die versuchen, Welcome Dinner zu etablieren.
Manchmal, erzählt sie, werde auch die Lebensgeschichte des Geflüchteten thematisiert. "Das nimmt manche Gastgeber dann schon mit, aber schließlich beschreiben die meisten den Abend als sehr gelungen." Am Ende eines Dinners entsteht immer ein Foto: Meist sind es glückliche Gesichter vor leeren Tellern und leeren Gläsern.