Forschung in Hamburg: Heizen mit Wasserstoff
Mithilfe von Strom lässt sich Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten. Der Wasserstoff kann später sogar zum Heizen genutzt werden. Das ist keine graue Theorie, sondern gelebte Praxis im Hamburger Stadtteil Bergedorf. Wissenschaftler arbeiten dort an einem deutschlandweit einzigartigen Forschungsprojekt, das auch von der EU gefördert wird. Die "NDR Info Perspektiven" haben sich die Anlage angesehen.
von Julia Weigelt
In der Tiefgarage eines Neubaus in Hamburg-Bergedorf steht vielleicht die Heizung der Zukunft: ein Blockheizkraftwerk, in dessen Kreislauf Wasserstoff eingespeist wird. Die Energiewende wird hier - in einem rund 50 Quadratmeter großen Kellerraum - von jungen Ingenieuren vorangetrieben. Simon Decher von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften gehört zum Entwickler-Team: "Im Wesentlichen geht es immer um Sektorenkopplung", erklärt er. "Wir müssen mit dem Strom etwas machen, was wir in einem anderen Sektor wie Wärme oder Verkehr benutzen können."
CO2-Ausstoß soll verringert werden
Der Vorteil von Wasserstoff: Er verbrenne emissionsfrei und werde einer neuen Erdgasheizung nun schrittweise beigemischt, erklärt Tom Lindemann vom Netzbetreiber Gasnetz Hamburg. Im Ergebnis werde so beim Heizen weniger CO2 erzeugt. "Um das am Ende des Projekts auch nachweisen zu können, fangen wir jetzt an, den CO2-Gehalt im Abgas zu messen. Im Laufe des Projekts werden wir dann nach und nach den Wasserstoffanteil erhöhen. Wir fangen mit fünf Prozent an und steigern uns dann in Fünf-Prozent-Schritten auf 30 Prozent Wasserstoffanteil. Wir werden im Verlauf des Projekts immer wieder den CO2-Anteil im Abgas kontrollieren. Erst am Ende können wir feststellen, wie viel CO2 wir tatsächlich eingespart haben."
Wasserstoff aus der Nachbarschaft?
Die Forscher kaufen den von ihnen für den Heizprozess benötigten Wasserstoff zunächst bei externen Lieferanten. Die Ausschreibung dafür läuft. Vielleicht bekommt das Projektteam den Wasserstoff auch bald aus der Nachbarschaft. Denn Hamburg plant, in den nächsten Jahren im Hafen die bislang weltweit größte Anlage zur Herstellung von Wasserstoff zu bauen.
Einspeisung in Blockheizkraftwerk
In Bergedorf wird der Wasserstoff flaschenweise angeliefert und vor dem Haus gelagert. Von dort führt eine Leitung in den Heizungskeller, wo ein Blockheizkraftwerk (BHKW) steht. Sehr wichtig sei den Forschern das Zusammenspiel zwischen dem Heizkraftwerk und der Einspeisung des Wasserstoffs, so Lindemann: "Gerade, wenn das BHKW an- oder ausgeschaltet wird, muss unsere Wasserstoff-Einspeiseanlage ebenfalls an oder ausgeschaltet werden. Das Zusammenspiel dieser beiden Anlagen ist das, was wir in diesem Projekt testen wollen."
Einsatz in weiteren Neubauten geplant
Das Blockheizkraftwerk für etwa 300 Wohnungen in dem Neubaugebiet erzeugt Strom, der ins Netz eingespeist wird, und Wärme für Heizung und Warmwasser. Dem Erdgas-BHKW nun auch Wasserstoff zuzuführen, sei kompliziert, erklärt Tom Lindemann: "Das ist vergleichbar mit einem Automotor. Wenn man den falschen Kraftstoff tankt, wird der Motor anfangen, unrund zu laufen. Um dieses Verhalten zu testen, werden wir erstmal anfangen, geringe Mengen beizumischen, um sicherzustellen, dass der Motor auch durchgehend flüssig läuft."
Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnte es bald in weiteren Neubauten zum Einsatz kommen. Und je mehr Abnehmer es gibt, desto eher lohnt es sich für Investoren, den Wasserstoff direkt vor Ort herzustellen. Dafür wäre eine weitere Anlage nötig, ein sogenannter Elektrolyseur. Denn die Anlieferung in Gasflaschen kann nur eine Zwischenlösung sein, sagen die Forscher.