Tschentscher: Weiterbau von Elbtower trotz Signa-Pleite wahrscheinlich
Die Pleitewelle bei der österreichischen Signa-Gruppe, die den Elbtower in der Hafencity verantwortet, hat nun auch ihre zwei wichtigsten Immobiliengesellschaften erfasst. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sieht die Stadt gerüstet, sollte es zu einem Totalausfall des Elbtower-Investors Signa kommen.
"Die wahrscheinliche Variante ist nicht, dass jetzt fünf Jahre nichts passiert", sagte Tschentscher der Deutschen Presse-Agentur laut einer Meldung vom Freitag. Möglicherweise fänden die privaten Investoren noch eine Lösung und bauten weiter - wie sie es angekündigt hätten. "Auch in einem Insolvenzverfahren würde die Stadt ihre vertraglichen Rechte sichern." Dazu gehöre ein Wiederkaufsrecht, das die Stadt aber nicht sofort vollziehen müsse. Damit bleibe ausreichend Zeit, die Lage zu prüfen.
Tschentscher: Projekt noch kein Desaster
"Bei einem Rückkauf würden wir den ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von 122 Millionen Euro ohne Zinsen und abzüglich von fünf Millionen Euro erstatten und im Gegenzug das Grundstück zurückerhalten", sagte Tschentscher. Aus seiner Sicht ist das Projekt noch kein Desaster, weil das Weiterbauen jederzeit möglich und auch wirtschaftlich vorteilhaft sei. Anders als bei der Elbphilharmonie liege das Risiko beim Elbtower allein bei den privaten Investoren. "Die Stadt wird keine offenen Rechnungen übernehmen", so Tschentscher.
Nach Signa-Holding nun Immobiliengesellschaften insolvent
In den vergangenen Wochen hatte bereits die Dachgesellschaft des Unternehmens ein Insolvenzverfahren beantragt, die sogenannte Signa-Holding. Auch mehrere Tochterfirmen aus dem großen und relativ unübersichtlichen Firmengeflecht, das Gründer Rene Benko aufgebaut hat, sind bereits insolvent und können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Mit der Signa Prime Selection AG folgt nun das Kernstück des Unternehmens, sie verantwortet zahlreiche Luxusimmobilienprojekte - neben dem Elbtower beispielsweise das Alsterhaus in der Hamburger Innenstadt und das KaDeWe in Berlin. Die Immobilien werden auf einen Gesamtwert von mehr als 20 Milliarden Euro geschätzt.
Antrag auf Sanierung in Eigenverantwortung
Beantragt wurde eine Insolvenz in Eigenverantwortung. Das bedeutet, dass das Management an Bord bleibt und die betroffenen Firmenteile auf eigene Faust saniert. Dabei würde ein Aufpasser von außen, der sogenannte Sachverwalter, die Signa engmaschig kontrollieren. Ziel eines solchen Verfahrens ist es, ein Unternehmen Schritt für Schritt von seinen Schulden zu befreien, um es so wieder zukunftsfähig zu machen. Welche Auswirkungen der Insolvenzantrag in Eigenverwaltung etwa auf den Bau des Hamburger Elbtowers hat, lässt sich aktuell noch nicht einschätzen.
Stadt sieht keine akuten Folgen für den Elbtower
Das beantragte Sanierungsverfahren hat aus Sicht der Stadt Hamburg keine akuten Folgen für den Elbtower. Ein Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde sagte am Donnerstag jedoch auch: "Auch wenn sich daraus keine unmittelbaren Auswirkungen auf das bestehende Vertragsverhältnis zwischen der Stadt Hamburg und der Käufergesellschaft ergeben, beobachten wir die Situation sehr aufmerksam, so dass die Stadt Hamburg gegebenenfalls weitere Schritte einleiten kann."
Linke: Wiederkaufsrecht der Stadt greift nicht
Aus Sicht der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft steht der Elbtower nun im Feuer. "Benkos Imperium bricht zusammen, jetzt ist auch der Elbtower dran", sagte die Bauexpertin der Linksfraktion, Heike Sudmann. Die vermeintliche Sicherheit durch die Signa Prime Selection AG sei das Papier des Kaufvertrages nicht wert. Die Stadt könne das Wiederkaufsrecht nun nicht ziehen, "da es gemäß Paragraf 19.1.3 nur bei Insolvenz innerhalb eines Jahres nach Fertigstellung greift". Und von der Fertigstellung sei der Elbtower noch weit entfernt. Die Hafencity GmbH hat diese Aussage entschieden zurückgewiesen. Es sei eine Fehlinterpretation des Vertrages, erklärte eine Sprecherin schon vor einigen Tagen.
Tschentscher hält Weiterbau für am Wahrscheinlichsten
Tschentscher sagte, sollte es zu einem Rückkauf kommen, "dann kann die Stadt entscheiden, ob sie zum Beispiel das Grundstück und das Projekt neu vergibt. Theoretisch wäre es auch möglich, das Gebäude zurückzubauen und das Grundstück anderweitig zu nutzen". Die wahrscheinlichste Variante Stand heute sei aber, dass der Elbtower zu Ende gebaut werde - "und zwar genau mit der Architektur und Nutzungsart, die vereinbart wurden".
Mit Blick auf Kritiker, die schon vor der Vergabe vor Benkos Geschäftsgebaren gewarnt hatten, sagte Tschentscher, Signa sei sorgfältig ausgewählt worden - und zwar nicht allein von Politikern, sondern im ersten Schritt von einer Jury besetzt mit international tätigen Stadtplanern, Architekten und Immobilienexperten. Sie hätten die architektonische Qualität und die Realisierungswahrscheinlichkeit beurteilt. "Die Jury hat das Angebot der Signa-Gruppe nach sorgfältiger Prüfung ausgewählt", sagte Tschentscher.
Weiterer Insolvenzantrag
Eine weitere Immobiliengesellschaft der angeschlagenen Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko hat am Freitag einen Insolvenzantrag gestellt.Nach Angaben des Handelsgerichts Wien ist ein entsprechender Antrag der Signa Development Selection AG eingereicht worden. Die auf Projektentwicklungen spezialisierte Gesellschaft strebt demnach wie von Signa bereits am Donnerstag angekündigt ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung an. Das Unternehmen solle fortgeführt und den Gläubigern eine Quote von 30 Prozent zahlbar binnen zwei Jahren angeboten werden, hieß es.
Baustelle steht seit Oktober still
Die Baustelle des Elbtowers im Osten der Hafencity steht seit Oktober still. Die in Schieflage geratene Signa hat nach Angaben des beauftragten Bauunternehmens Adolf Lupp aus dem hessischen Nidda Rechnungen nicht bezahlt. Signa selbst äußerte sich dazu auf Anfrage zunächst nicht. Der vom Stararchitekten David Chipperfield entworfene Elbtower soll 245 Meter hoch werden und als dritthöchstes Gebäude in Deutschland unter anderem Büros, Geschäfte, Galerien, Restaurants und eine Aussichtsplattform in der 55. Etage beherbergen. Bislang ist eine Höhe von rund 100 Metern erreicht. Die Fertigstellung war bislang für 2025 geplant, an Gesamtkosten werden rund 950 Millionen Euro veranschlagt.