Cum-Ex-Verfahren gegen Olearius eingestellt: "Ein Rückschlag"
Der frühere Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius, ist eine der bekanntesten Figuren im bundesweiten Cum-Ex-Skandal um kriminelle Bankgeschäfte in Milliarden-Höhe. Nach neun Monaten darf der Ex-Bankier die Anklagebank nun verlassen: Das Bonner Landgericht stellte das Strafverfahren gegen ihn ein.
Grund für diese Entscheidung des Gerichts ist die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen. Das bedeutet zugleich: Die Schuldfrage bleibt offen. Die Einstellung des Verfahrens ist aber auch nicht mit einem Freispruch gleichzusetzen. Was hat das Verfahren gegen Olearius dann gebracht? Dazu äußert sich der Gründer und Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende e. V., Gerhard Schick, im Interview mit NDR Info.
Nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen Christian Olearius: Was bedeutet diese Entscheidung für die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals?
Gerhard Schick: Nun, zunächst muss man festhalten: Christian Olearius hat mit allen Mitteln versucht, dass er das Geld aus den Cum-Ex-Geschäften behalten kann, also erstmal seine Bank und dann er selbst. Dafür hat er wahnsinnig viel Geld für teure Anwälte ausgegeben. Und Olearius hat versucht, dass es kein Verfahren gegen ihn gibt. Das ist alles kläglich gescheitert. Er ist vor Gericht gestellt worden wie jeder andere Bürger auch. Und das ist im Rechtsstaat eine ganz wichtige Geschichte: Dass auch Menschen mit politischen Kontakten und vielen Millionen Euro auf dem Konto vor Gericht gestellt werden, wenn sie kriminelle Sachen machen.
Das Verfahren gegen Olearius wurde aus gesundheitlichen Gründen eingestellt. Was halten Sie davon?
Schick: Das ist richtig so - und das muss man akzeptieren, auch wenn das für die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals erstmal ein Rückschlag ist. Aber das Ziel von Christian Olearius, vor Gericht einen Freispruch zu erhalten und wieder als ein Wohltäter von Hamburg gesehen zu werden, hat er nicht erreicht. Sein Name wird immer mit den kriminellen Cum-Ex-Geschäften verbunden sein, weil es eben für ihn nicht zu einem Freispruch gekommen ist. Ich glaube, den Freispruch hätte es auch nicht gegeben. Man kann abschließend sagen: Die Staatsanwaltschaft Köln hat hier zum Glück ein Verfahren angestrengt und sie hat viel Geld für uns Bürgerinnen und Bürger rausgeholt.
Inwiefern hat das Verfahren viel Geld eingebracht?
Schick: Nachdem unter den Augen von Peter Tschentscher als damaliger Hamburger Finanzsenator das Finanzamt in Hamburg der Warburg Bank die Gewinne aus den kriminellen Geschäften gelassen hatte, hat es die Staatsanwaltschaft geschafft, dass 176 Millionen Euro von der Bank eingezogen wurden. Und das mussten dann Max Warburg und Christian Olearius aus ihrem Privatvermögen nachschießen. Denn sonst wäre die Bank in eine Schieflage geraten. Das heißt: Dieses Verfahren war zwar sehr aufwendig. Aber für den Steuerzahler ist diese Aktivität der Staatsanwaltschaft Köln ein voller Erfolg gewesen.
Wenn wir nun auf die politische Aufarbeitung schauen: Was für Erkenntnisse hat das Verfahren gegen Olearius gebracht?
Schick: Ich hatte mir erhofft, dass in dem Verfahren noch mehr über die Rolle von Olaf Scholz als damaligen Bürgermeister bekannt wird. Scholz versteckt sich ja hinter Erinnerungslücken. Und da hätte ich gehofft, dass das Verfahren gegen Olearius noch etwas mehr Aufklärung leistet, die Olaf Scholz nicht bereit ist zu leisten. Jetzt müssen wir hoffen, dass es dem Hamburger Parlamentarischen Untersuchungsausschuss und dem Bundestags-Untersuchungsausschuss - wenn er denn zustande kommt - gelingt, die Aufklärung an dieser Stelle weiterzuführen.
Und was ist mit der Rolle von Peter Tschentscher, dem jetzigen Ersten Bürgermeister von Hamburg?
Schick: Anders als bei Scholz liegen bei Peter Tschentscher die Fakten völlig auf dem Tisch. Es ist klar, dass er gesehen hat, dass das Finanzamt seine Rechtsauffassung plötzlich geändert hat und der Warburg Bank das Geld aus den kriminellen Geschäften gelassen hat. Da hätte Tschentscher als damaliger Finanzsenator intervenieren müssen. Er hat sich aber auf die Seite des Bankers und der Bank gestellt und gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger entschieden. Deswegen meine ich, Tschentscher muss zurücktreten. Da brauchen wir keine weiteren Informationen.
In Ihrem Verein Bürgerbewegung Finanzwende ist seit Kurzem die prominenteste Cum-Ex-Ermittlerin, die frühere Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, neue Geschäftsführerin. Ist also auch von Ihrer Seite noch Weiteres zu erwarten?
Schick: Wie werden da sicher am Ball bleiben. Cum-Ex und auch der große Bruder Cum-Cum haben ja einen Milliarden-Schaden verursacht. Und wir stehen insgesamt - trotz der Erfolge der Kölner Staatsanwaltschaft - erst am Anfang. Zum Beispiel ist noch keiner der Verantwortlichen bei den Landesbanken bisher vor Gericht gestellt worden, auch weil die Staatsanwaltschaft Hamburg und die Staatsanwaltschaft Stuttgart da bisher nichts geliefert haben.
Und es fehlt noch, dass viele Milliarden - gerade aus den Cum-Cum-Geschäften - zurückgeholt werden. Da müssen jetzt Finanzbehörden und Staatsanwaltschaften in der ganzen Republik tätig werden. Das kann die Kölner Staatsanwaltschaft gar nicht alles leisten. Und da fehlt es bisher an politischer Aktivität. Von unserem Bundesfinanzminister Christian Lindner zum Beispiel hat man noch nie gehört, dass er sich irgendwie engagiert hätte, diese illegalen Gewinne der Banken zurückzuholen.
Das Interview führte Birgit Langhammer, NDR Info.