Bürgerschaft: Harter Schlagabtausch bei Migrationsdebatte

Stand: 29.01.2025 17:25 Uhr

Einen harten Schlagabtausch hat es am Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft gegeben. In der Aktuellen Stunde debattierten die Abgeordneten über die Migrationspolitik und die Anträge der Union dazu im Bundestag.

Zu Beginn der Debatte gab es mahnende Worte der Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD). Zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz und mit Blick auf die aktuelle Migrationsdebatte sagte sie, es sei zwar verständlich, dass das Asylrecht nach den brutalen Taten von Magdeburg oder Aschaffenburg in Frage gestellt werde. "Der politische Streit darf aber nicht dazu verkommen, Menschen in unserem Land Angst zu machen, er darf nicht die Opfer instrumentalisieren. Das ist nicht hinnehmbar", so Veit. Applaus gab es dafür aus der ganzen Bürgerschaft - mit Ausnahme der AfD.

SPD und Grüne kritisieren Merz scharf

In der Debatte warfen SPD, Grüne und Linke der CDU vor, Rechtsextremisten und Populisten in die Hände zu spielen. Indem ihr Bundesvorsitzender Friedrich Merz bei seiner Forderung nach Grenzkontrollen und Einreiseverboten die Unterstützung der AfD in Kauf nehme, führe er "seine einst so stolze Volkspartei 80 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur in die Arme der Rechtsextremen", sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. 

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Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg sprach von einem Dammbruch. Noch vor Kurzem habe Merz ausgeschlossen, dass es mit der AfD auch nur zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheiten geben dürfe. "Jetzt bricht er dieses Versprechen", sagte sie. "Wer sich von Demokratiefeinden Mehrheiten beschaffen lässt, öffnet Tür und Tor für eine Normalisierung des Rechtsextremismus." 

Thering: Keine Zusammenarbeit mit der AfD

CDU-Fraktionschef Dennis Thering wies die Kritik zurück. "Es wird mit der CDU in Deutschland und auch mit der CDU in Hamburg keine Zusammenarbeit, keine Gespräche und keinen inhaltlichen Austausch mit der AfD geben", betonte er. Nach den Anschlägen von Aschaffenburg und Magdeburg sei man den Bürgerinnen und Bürgern aber Antworten schuldig, wie man die Sicherheit verbessern wolle, "damit sich das fortlaufende Staatsversagen nicht weiter fortsetzt". Von SPD und Grünen höre er aber immer nur, was nicht gehe. 

Linke sprechen von "unverantwortlicher Strategie"

Die von Merz geforderten Grenzkontrollen und Abschiebungen schafften "kein Mehr an Sicherheit und sind weder in der Praxis umsetzbar noch mit EU-Recht vereinbar", sagte die Migrationsexpertin der Linken, Carola Ensslen. "Sie sind nichts weiter als ein Anbiedern an die AfD mit ihrer rassistischen Hetze - eine unverantwortliche Strategie." 

Nockemann: "Funke der Vernunft übergesprungen"

Der AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sieht das Ende der sogenannten Brandmauer gegen seine Partei gekommen. Er bezeichnete die Diskussion darüber als "substanzloses Gefasel", das den Bürgern nicht zu vermitteln sei. Erfreulich sei, dass "der Funke der Vernunft" mittlerweile in Teilen zur CDU übergesprungen sei. "Das bekommen sie nicht mehr zurückgedreht", so Nockemann weiter. An die Adresse von SPD und Grünen sagte er zudem: "Die Bürger wollen Sie nicht mehr, Ihre uniforme, woke, linksgrüne Einheits-Zwangsgesellschaft."

Tschentscher: "Müssen klipp und klar Brandmauer halten"

"Es macht vielen Leuten Angst - gerade hier in Hamburg, wie derzeit darüber gesprochen wird, wer mit wem worüber beschließt", sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). "Die Leute wissen nicht: Wo beginnt die Zusammenarbeit mit der AfD und wo endet sie?" Deshalb sei für ihn klar: "Wir müssen klipp und klar diese Brandmauer halten."

Zugleich zeigte sich der Bürgermeister für eine weitere Verschärfung der Regelungen bereit, um Angriffe und Anschläge zu verhindern. "Ich bin für jede Verschärfung von Regelungen bis an die Grenzen des Verfassungsrechts und des europäischen Rechts", sagte er. "Ich bin mit jeder Regelung einverstanden, die noch stärker dazu beiträgt, dass Gefährder nicht auf offener Straße durch Hamburg oder Deutschland laufen." Wenn die CDU Vorschläge habe, "wie wir noch konsequenter straffällige Asylbewerber abschieben können, dann machen sie diese Vorschläge, und ich werde sie unterstützen", sagte Tschentscher.

Zuvor hatte bereits Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) darauf verwiesen, dass Hamburg straffällige Asylbewerber konsequent abschiebe - 270 im vergangenen Jahr. 

Ole Wackermann und Maiken Nielsen stehen vor einem Hintergrund, der den Hamburger Hafen und die Elphilharmonie am Abend zeigt, und lächeln in die Kamera. © NDR; picture alliance / Westend61 | Willing-Holtz Foto: Arman Ahmadi
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Mehr als 9.000 Ausreisepflichtige in Hamburg

Thering hatte bereits vor der Bürgerschaftssitzung gefordert, dass sich SPD und Grüne zur Sicherheit Deutschlands bekennen müssten - also zu Grenzkontrollen, zu schnellen Abschiebungen von Ausreisepflichtigen und zu unbefristeten Ausreisearresten. Innensenator Andy Grote (SPD) hat jedoch rechtliche und praktische Bedenken. Allein in Hamburg würden mehr als 9.000 Ausreisepflichtige leben - Frauen, Männer und Kinder. Wolle man diese sofort in Haft nehmen, damit man sie abschieben kann, bedeute das Masseninhaftierung, so der SPD-Politiker. "Das ist natürlich verfassungswidrig, und damit rollt man letztlich der AfD den roten Teppich aus", sagte Grote im Vorfeld der Sitzung.

Grote setzt auf Reform des europäische Asylsystems

Tatsächlich brauche es weitere Maßnahmen, weil die illegale Migration trotz sinkender Flüchtlingszahlen noch zu hoch sei, so Grote weiter. Der Innensenator setzt auf das reformierte europäische Asylsystem. Damit soll unter anderem auch verhindert werden, das Geflüchtete von einem EU-Land in das andere weiterziehen. Allerdings tritt die Reform erst Mitte kommenden Jahres in Kraft.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 29.01.2025 | 19:30 Uhr

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