Stand: 22.11.2016 17:05 Uhr

Belasteter Hafenschlick gefährdet Wattenmeer

von Alexa Höber

Schadstoffe wie Blei und Quecksilber werden bei Helgoland in die Nordsee gekippt, fast täglich. Denn sie stecken in dem Sand- und Schlickgemisch, das Baggerschiffe vom Grund des Hamburger Hafens saugen und dann in die Nordsee bringen. Doch jetzt regt sich Widerstand an der Küste gegen den "Dreck aus Hamburg".

VIDEO: Belasteter Hafenschlick gefährdet Wattenmeer (8 Min)

Schadstoffe im Hafenbecken

Bei Flut drückt die Nordsee Sand und Schlick die Elbe hinauf bis in die Hamburger Hafenbecken. Dort sammelt sich dann alles - wie in einer Wanne. Dazu kommen Schadstoffe vom Hafenbetrieb und aus dem Oberlauf der Elbe. Am Grund lagern sich so unter anderem Mineralölkohlenwasserstoffe, Quecksilber, Blei und giftiges Arsen ab. Auch das bereits verbotene Pflanzenschutzmittel DDT und der ebenfalls seit Jahrzenten verbotene Weichmacher PCB finden sich im Hafenschlick. Ein brisantes Gemisch, das nicht im Meer landen sollte. Denn einige dieser Stoffe können Meerestiere unfruchtbar machen.

PCB vor Helgoland

Im Verklappungsgebiet vor Helgoland stiegen PCB-Konzentrationen zwischen 2005 und 2010 stark an. Der Grund war offenbar die Verklappung von Sand- und Schlick aus dem Hamburger Hafen. Das geht aus einem öffentlich einsehbaren Bericht des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie hervor. Das Bundesamt kommt deshalb zu dem Ergebnis: "Der Zustand des Sediments muss damit für diesen Zeitraum als nicht akzeptabel bezeichnet werden."

Professorin Gesine Witt von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg © NDR Foto: Julian Feldmann
Gesine Witt von der "Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg" befürchtet, dass die hohe Konzentration von PCB im Schlick Auswirkungen auf Meerestiere haben könnte.

Die Konzentrationen seien so hoch, dass Effekte für Meerestiere zu befürchten seien, so Professorin Gesine Witt von der "Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg". Eigentlich habe sich Deutschland mit der EU Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie dazu verpflichtet bis 2020 für einen guten Zustand der Meere zu sorgen, so die Professorin. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten aber Verklappungen von Hamburger Hafenschlick in der Nordsee verhindert werden.

Grüner Umweltminister macht mit

Robert  Habeck, Umweltminister von Schleswig-Holstein © NDR Foto: Julian Feldmann
Robert  Habeck, Umweltminister von Schleswig-Holstein, hatte selbst genehmigt, dass in den kommenden fünf Jahren weiter Hafenschlick in die Nordsee gebracht werden darf.

Noch vor einem Jahr hat der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck die weitere Verklappung von Hamburger Hafenschlick in der Nordsee kritisch gesehen. Hamburg könne nicht erwarten, den Hafenschlick einfach immer weiter in die Nordsee schütten zu dürfen, so Habeck damals gegenüber Panorama 3. Der Minister betonte in dem Interview, dass der Hamburger Hafen zwar eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung habe, "aber natürlich muss auch der Schutz des Meeres oder der Umwelt angemessen berücksichtigt werden und dieses 'Schnipp, helft uns mal, sonst haben wir hier ein Problem', das kann nicht mehr der Stil sein mit dem wir hier zusammen arbeiten."

Schon wenige Monate später genehmigte der gleiche grüne Umweltminister, dass in den kommenden fünf Jahren weiter Hafenschlick in die Nordsee gebracht werden darf, bis zu 10 Millionen Kubikmeter. Für die Verklappung des Elbeschlicks fließt Geld nach Schleswig-Holstein. Bis zu 35.000 Euro pro Baggerschiffladung erhält eine Stiftung zum Schutz des Wattenmeeres. Bis heute wurden so rund sechs Millionen Euro eingezahlt.

Hamburg sieht kein Problem

Die stadteigene "Hamburg Port Authority" (HPA) ist verantwortlich dafür, dass der Hafen nicht versandet und damit von Containerriesen weiter angelaufen werden kann. Dafür werden die Hafenbecken ausgebaggert, Sand und Schlick dann vor Helgoland verklappt. Laut HPA seien negative Beeinträchtigungen der nordfriesischen Küste auszuschließen. Das würden auch die Untersuchungsberichte aus dem Verklappungsgebiet zeigen. Diese werden jährlich erstellt und von der HPA veröffentlicht. Ein Interview zur Verbringung des Elbeschlicks in die Nordsee lehnte die HPA ab.

Weitere Informationen
Belasteter Hafenschlick gefährdet Wattenmeer © NDR Foto: Julian Feldmann

Hamburgs bizarrer Kampf gegen den Hafenschlick

Unmengen an Schlick haben sich im Hamburger Hafen angesammelt - zwei Baggerschiffe sind daher im Dauereinsatz. Doch bei Flut wird ein Großteil wieder zurück in den Hafen gespült. mehr

Widerstand an der Küste

Der Kreis Nordfriesland sprach sich im April gegen die weitere Verklappung des Hafenschlicks aus. Die Schutzgemeinschaft deutsche Nordseeküste fordert, der Schlick solle von Schadstoffen befreit und der Sand dann im Deichbau eingesetzt werden. Und die Erzeugerorganisation schleswig-holsteinischer Muschelfischer befürchtet, dass Schadstoffe sich im Meer ausbreiten und von Muscheln aufgenommen werden.

Umweltminister Robert Habeck versucht dagegen die Verklappung vor Helgoland weiter zu rechtfertigen. Gegenüber Panorama 3 sagte er über das Verklappungsgebiet vor Helgoland:  "Es gibt dort keine Meeresströmung, alles sinkt nach unten und im Endeffekt bleibt es dabei, dass der Schlick der an einer Stelle verbracht wird in einem kleinen Radius sich dann anhäuft wie ein Berg im Sandkasten. Exakt die Menge von Schlick, die da raus gebracht wurde, ist an diesem Ort zu finden und an keinem anderen Ort."

Wissenschaftler kritisiert Verklappung

Professor Georg Irion hat Jahrzehnte am renommierten Institut "Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven" geforscht. Er konnte schon Ende der 1990er-Jahre belegen, dass Sedimente, die aus dem Meer vor Helgoland stammen, später an der nordfriesischen Küste zu finden waren. Er ist davon überzeugt, dass deshalb auch Schadstoffe aus dem Hafenschlick bis an die nordfriesische Küste gelangen werden. Eine Erhöhung der Konzentration dieser Schadstoffe sei wahrscheinlich in zehn bis zwanzig Jahren nachweisbar. Diese würden sich dort immer weiter anreichern, so der Wissenschaftler.

Was jetzt ins Meer geschüttet wird, landet offenbar doch irgendwann im Wattenmeer und am Strand.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 22.11.2016 | 21:15 Uhr

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Meer und Küste

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