Abriss genehmigt: Hamburger Mieter bangen um ihr Wohnhaus
Ein Wohnhaus in der Brennerstraße im Hamburger Stadtteil St. Georg soll abgerissen werden, weil eine Instandsetzung dem Vermieter zu teuer wäre. Die Mieterinnen und Mieter bangen um ihr Zuhause.
Ihre kleine Terrasse im Hinterhof ist für die Anwohner und Anwohnerinnen ein beliebter Treffpunkt. Häufiges Thema: ihr Wohnhaus in St. Georg. Das ist mehr als 130 Jahre alt und in desolatem Zustand. Bewohner Horst Beck berichtet von häufigen Wasserschäden im Haus. "Wir hatten erst letztes Jahr einen Schaden drüben. Dort ist es in den Keller gelaufen. Das hat 14 Tage gedauert bis die Leckage weg war."
Abriss vom Bezirksamt genehmigt
Umfassende Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen sind laut Mietern seit Jahrzehnten Fehlanzeige. Die wären aber dringend notwendig. Seit dem Zweiten Weltkrieg stehen Teile des Hauses schief. In vier Wohnungen müssen die Mieterinnen und Mieter noch mit Kohleöfen heizen. Schon länger gibt es Kontakt zum Bezirksamt, nun haben alle Bewohnerinnen und Bewohner wieder Post von der Behörde bekommen. Ein vom Eigentümer beantragter Abriss des Hauses wurde genehmigt.
Mieter: "Man hätte viel früher etwas tun können"
"Wenn man 38 Jahre hier wohnt und das Haus liebt, dann fühlt sich das natürlich ziemlich mies an", sagt Bewohner Stefan Budig. Er sieht vor allem den Vermieter in der Schuld. Über Jahrzehnte sei nichts am Haus getan worden. "Wenn das früher geprüft worden wäre, hätte man viel früher etwas tun können, was deutlich geringere Kosten verursacht hätte. Dann würde dieses Haus sicher noch weiter Bestand haben."
Bezirksamt verweist auf Gutachten des Eigentümers
Fragen wirft die Begründung für die Abrissgenehmigung auf. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte schreibt dazu:
"Durch den Eigentümer ist im Rahmen eines Gutachtens nachzuweisen, dass die Erhaltungskosten der baulichen Anlage die zu erzielenden Einnahmen bei einer einen längeren Zeitraum umfassenden Prognose übersteigen. Ein solches Gutachten wurde hier vorgelegt."
Das Wohnhaus wirft also offenbar durch alte Mietverträge zu wenig Gewinn ab. Durch den jahrelangen Sanierungsstau würden die zu erwartenden Baukosten die Mieten übersteigen. Unklar ist, ob der Vermieter anstelle des alten Hauses ein neues bauen möchte, um dann höhere Mieten einnehmen zu können.
Vermieter besitzt Eigenkapital in Millionenhöhe
Den Eigentümern gehören noch weitere Häuser mit rund 800 Mietwohnungen in Hamburg. Ihre Bilanz weist laut aktueller Wirtschaftsauskunft ein Eigenkapital in Höhe von rund 57 Millionen Euro aus. Die "nicht zumutbaren Kosten" zum Erhalt des Hauses sollen laut eines Gutachtens, das die Mieterinnen und Mieter im Bezirk einsehen konnten, bei 1,6 Millionen Euro liegen. Eigentümer und Hausverwaltung standen für ein Interview nicht zur Verfügung. Ein Anwalt lässt mitteilen:
"Das Haus wurde im Krieg beschädigt und danach nur einfach instandgesetzt. Umfangreiche bauliche Modernisierungsmaßnahmen waren weder möglich, noch wären diese sinnvoll gewesen. Dementsprechend hat unsere Mandantin das Gebäude instandgehalten, solange es vertretbar war."
Mieterverein: Vermieter finden Umwege
Rolf Bosse, Vorsitzender des Hamburger Mietervereins sieht nun die Politik wieder am Zug: "Soziale Erhaltungssatzungen sind leider nicht so stark, wie sie sein sollten. Wir merken immer wieder, dass es Vermieter gibt, die sich trotz der Geltung über die Regelung hinwegsetzen." Sie könnten sich mithilfe von Umwandlungen, Entmietungen oder Abrissen durchsetzen. Um dies zu verändern, müsse man vielleicht auch Gesetze ändern.
Vermieter will alternative Wohnungen anbieten
Der Eigentümer des Hauses in St. Georg kündigte gegenüber dem Hamburg Journal an, den Mietern und Mieterinnen Ersatzwohnraum anzubieten und beim Umzug zu helfen. Doch wo sie dann hinziehen sollen, ist bislang noch völlig offen.