Die gefährliche Markt-Macht von Flixbus
Von Hamburg nach München für 19 Euro - mit so billigen Preisen wirbt der Fernbusanbieter Flixbus für seine Fahrten. Die Strategie geht auf: Rund dreieinhalb Jahre nach der Liberalisierung des Fernbusmarktes beherrscht Flixbus den Markt mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent.
Radikaler Wandel auf dem Busmarkt
Seit 2013 dürfen Busse der Bahn Konkurrenz machen, viele Anbieter drängten in den neuen Markt. Doch nur wenige konnten bei der Preispolitik von Flixbus mithalten, inzwischen hat das Unternehmen die meisten Konkurrenten aufgekauft. Dabei besitzt Flixbus keine eigenen Busse, sondern arbeitet mit Subunternehmern, Buspartner genannt. Sie stellen die Busse, haben die Fahrer angestellt, sorgen für den Betrieb und die Wartung der Fahrzeuge. Ein Geschäft, das sich allerdings für viele Subunternehmer nicht lohnt.
"Wir halten unser Partnermodell für fair und glauben auch, dass man damit Geld verdienen kann", sagt André Schwämmlein, Geschäftsführer von Flixbus dazu, "wer den Vertrag nicht gut findet, hätte ihn nicht unterschreiben müssen".
Vom Partner zum Konkurrenten
Wolfgang Steber hat ein Busunternehmen in München. Er fuhr lange Zeit die Strecke München bis zum Flughafen Memmingen, eine Zeit lang auch für Flixbus. Steber besaß die Genehmigung für die Strecke und war für Flixbus damit attraktiv. Doch dann erwarb Flixbus selbst eine Genehmigung und so wurde aus dem Partner mehr und mehr ein Konkurrent. "Die Schraube wurde immer mehr angezogen. Als sie bei Flixbus gemerkt haben, dass wir unseren eigenen Kopf haben, haben sie parallel zu unserer Linie Busse eingesetzt. Dann haben sie unsere Preise unterboten und so wurden wir vom Markt verdrängt", sagt Steber.
Mit dem Flixbus-Konkurrenten Postbus handelte Wolfgang Steber neue Verträge aus, fuhr weiter auf der Strecke. Dann kam im August die Nachricht: Auch Postbus wurde von Flixbus aufgekauft. Eine erneute Partnerschaft mit Flixbus kommt für Wolfgang Steber nicht in Frage: "Ich kann keine Investition zum Beispiel für einen Bus von 400.000 bis 430.000 Euro tätigen, ohne dass ich weiß, wo ich dann am Ende vom Jahr finanziell stehe." Bei dem Modell von Flixbus liegt für Steber zu viel Risiko beim kleinen Busunternehmer. Die müssen den Fuhrpark anschaffen und das Personal halten, aber auf die Preisgestaltung haben sie keinen Einfluss. "Ich gehe davon aus, dass derzeit niemand auf der Strecke München-Zürich rentabel fährt", sagt Steber.
Lenk- und Ruhezeiten kaum einzuhalten
Der Druck, der auf den Subunternehmern lastet, ist gleichzeitig auch Druck auf den Busfahrern. Die müssen in den vorgegebenen Zeiten ankommen und dürfen dennoch ihre gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Arbeitszeiten nicht überschreiten. Bei den engen Zeitplänen ist das schwer, sobald ein Stau dazwischen kommt kaum zu schaffen. "Ich hab das erlebt, dass mir schwarz vor den Augen wurde. Weil ich einfach erschöpft war. Und mir kurzfristig die Augen zugefallen sind. Aber ich konnte das kurzfristig abfangen, indem ich voll in die Bremsen gegangen bin und rechts rüber." Bernd Schaffrath ist viele Jahre Fernbus für Flixbus gefahren. Über 4.000 Euro Bußgeld musste er zahlen, weil er gegen die Lenk- und Ruhezeiten verstoßen hatte.
Dabei nutzen viele Fahrer schon Schlupflöcher aus: Steht ein Bus am ZOB wird oft auf dem digitalen Tacho Pause eingestellt, auch wenn der Fahrer die Zeit nutzt um Tickets zu verkaufen und den Fahrgästen beim Einladen zu helfen. Das wäre eigentlich Arbeitszeit, kann aber nur schwer kontrolliert werden. Flixbus sagt, die Fahrpläne seien realistisch und man achte genau auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. "Wir haben dafür ein ganzes Team", sagt André Schwämmlein.
Ticketpreise auf Dauer nicht tragbar
In den vergangenen Monaten sind nach Recherchen des NDR mehr als 20 Busunternehmer, die für Flixbus gefahren sind, ausgestiegen. Nach Recherchen von Panorama 3 werden weitere aussteigen. Die niedrigen Ticketpreise sind für viele Unternehmen dauerhaft nicht tragbar. Unterdessen baut Flixbus seine Marktmacht weiter aus. Erst im Juni schluckte Flixbus den Konkurrenten Megabus. Mit drastischen Konsequenzen: Panorama 3 liegt ein Schreiben von Megabus vor. Darin teilt das Unternehmen seinen Beschäftigten mit: "Unsere Dienste werden nicht länger benötigt. An allen übernommenen Standorten werden die Megabusmitarbeiter entlassen." Für die Arbeiter besonders bitter, denn Megabus hatte seine Mitarbeiter fest angestellt und laut Aussagen ehemaliger Angestellter sehr gut bezahlt. Schwämmlein sieht die Übernahme hingegen marktwirtschaftlich: "Megabus war in Deutschland kein sehr großer Spieler und für uns nicht so relevant. Uns ging es vor allem um die Märkte in Italien, Frankreich, Benelux, aber auch der Verkehr nach London, das ist ein komplett neuer Markt für uns gewesen."
Vom Monopol zum Monopol
Und die Einkaufstour von Flixbus geht weiter. Zum 31.Oktober übernimmt Flixbus den Konkurrenten Postbus. Die bisherigen Partner von Postbus müssen sich nun entscheiden, ob sie auch zu den Bedingungen von Flixbus weiter fahren wollen. Nach Recherchen von Panorama 3 kommt dies für viele nicht in Betracht. Offen äußern, wollte sich dazu während der laufenden Verhandlungen noch kein Unternehmer. Busunternehmer Wolfgang Steber kann da nur mit dem Kopf schütteln: "Ich finde es einfach verwunderlich, dass die Liberalisierung, die angestoßen wurde, und den Fernbusmarkt eröffnet hat, jetzt diese Züge angenommen hat, dass wir letzten Endes wieder ein Monopol haben und so wie es aussieht, wird sich das Monopol auch noch verfestigen."