neue musik
Dienstag, 17. Oktober 2023, 21:00 bis
22:00 Uhr
An welche musikalische Epochen man auch denkt, von der Klassik bis hin zur Gegenwart, die bekannten Protagonisten sind so gut wie alle europäisch und weiß. Daß das längst nicht mehr der kulturellen Realität auch in Europa entspricht, zeigt das Buch "Composing While Black: Afrodiasporische Neue Musik Heute" erschienen im "Wolke Verlag". Die beiden Herausgeber Harald Kisiedu (Autor, Musikwissenschaftler und Musiker) und George Lewis (Komponist, Musiker. Musikwissenschaftler und Professor an der Columbia University) befassen sich mit Schwarzer Neuer Musik aus unterschiedlichsten Bereichen.
Von Oper bis Elektronik
Einer der wichtigsten zeitgenössischen Opernkomponisten der USA ist Anthony Davis. Ihm und seiner Oper "Amistad" ist ein Kapitel des Buches gewidmet. Der Gefangenenaufstand auf dem Schiff Amistad anno 1839 spielte eine große Rolle für die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei und ist bis heute ein tragendes Narrativ afroamerikanischer Geschichte. Für dessen musikalische Umsetzung vermischt Anthony Davis Blues Minimalismus und unterschiedlichste, epochenübergreifende Orchestertechniken. Die Auseinandersetzung mit Sprache, die sowohl verbindet als auch ausgrenzen kann, prägt das Stück "Mother Tongue" des nigerianisch-schweizerischen Komponisten Charles Uzor. Bei ihm gehen Elektronik, Chor und Sprechstimmen eine vielschichtige Symbiose ein.
Bewegte Biographien
"Das Afrodiasporische, was mit Bewegung, mit Überschreiten von Grenzen zu tun hat, ist in viele Biographien auch eingeschrieben", sagt Herausgeber Harald Kisiedu. Bei dem Komponisten Andile Khumalo etwa, der aus Südafrika stammt, in Deutschland und in New York studiert hat und jetzt wieder in Südafrika lebt. Sein Stück "Tracing Hollow Traces" für Solo-Klarinette bezieht sowohl Raum als auch Moment der Aufführung inklusive Publikum mit ein. Ähnlich bewegt ist auch die Vita von Alvin Singleton, der bereits ein renommierter Komponist in den USA war, als er sich entschloß eine zeitlang in Europa zu verbringen. Im Jahre 1974 wurde er als erster schwarzer Komponist mit dem Kranichsteiner Musikpreis ausgezeichnet.
Eine Sendung von Goetz Steeger