Er ist offen für musikalische Experimente - Cellist Johannes Moser
Dass er sowohl ein Guarneri aus dem Jahr 1694 als auch E-Cello spielt, beweist, dass Johannes Moser offen für Experimente ist. Auf seinem neuen Album "Alone Together" lebt er diese Passion aus und geht sogar noch weiter. Das Ergebnis präsentierte er vor Erscheinen des Albums in einem Livekonzert bei NDR Kultur à la carte EXTRA.
Johannes Moser hat Werke für Cello-Ensembles in einem komplizierten Mehrspurverfahren alleine eingespielt. Zu hören sind nicht nur bekannte Kompositionen von Grieg, Pärt und Barber, sondern auch ganz neue für E-Cello, die Moser bei jungen US-amerikanischen Komponistinnen und Komponisten in Auftrag gegeben hat. Bei NDR Kultur hatte der renommierte Musiker beide Instrumente sowie seinen Laptop dabei und spielte live die Musik im Studio, die sonst nur auf dem Tonträger existiert. Eine Radiopremiere der besonderen Art.
Hier in der Sendung kannst du ja nur ein Instrument gleichzeitig spielen. Auf deinem Album "Alone Together" sind es aber mehrere Celli gleichzeitig - also auf mehreren Spuren. Die hast du vermutlich auch auf dem Guarneri eingespielt, daher ist der Klang auch so homogen, oder?
Johannes Moser: Genau. Und was natürlich ein Vorteil ist, ist gleichzeitig auch ein Nachteil. Man muss gucken, wenn man zwölf Spuren aufnimmt und dabei das gleiche Instrument spielt, dass es nicht wie eine Soße klingt. Das heißt, ich habe mir für diese Celli schon Charaktere überlegt. Also Cello 1 hat zum Beispiel viel mehr Neurosen als Cello 6, und ich habe versucht, durch Method Acting einen anderen Charakter für die einzelnen Stimmen zu kreieren. Ganz kann man sich selber ja nicht entfliehen, insofern ist es so halb gelungen. Aber die Überlegung war schon: Wie schaffe ich es bei der Aufnahme, unterschiedliche Charaktere in verschiedene Stimmen zu verwandeln.
Was liebst du denn an diesem Cello besonders? Dein Guarneri hat ja eine enorme Geschichte: Es ist 1694 gebaut worden und hat früher dem berühmten Cellisten Julius Klengel gehört, dessen Hymnus für zwölf Celli du auch bei uns gespielt hast.
Johannes Moser: Ja, richtig. Also zunächst einmal ist es unglaublich, wie so ein Instrument 330 Jahre europäische Geschichte überstehen konnte. Ich finde, es ist immer wieder ein großes Privileg, dieses Instrument morgens beim Üben auszupacken. Was ich ganz besonders liebe, ist die Vielfältigkeit mit einer gewissen Durchsichtigkeit und Durchhörbarkeit. Also man hat nicht das Gefühl, dass dieses Instrument besonders bullig oder mulmig ist, sondern es ist eher feingliedrig im Klang und kommt trotzdem sehr gut durch. Wenn man jetzt zum Beispiel als Solist mit Orchester spielt, dann ist es ein Instrument, was viel Stärke hat. Und gerade bei meinem Aufnahmeprojekt, bei dem Klengel-Hymnus mit zwölf Stimmen, hat sich eben herausgestellt, dass dieses Cello einfach sehr viele verschiedene Klangfarben anbietet.
Wenn du spielst, dann habe ich das Gefühl, dass du so eine Ästhetik hast, die auch in Richtung Gesang geht. Also eine Vorstellung, dass das auch ein Instrument ist, auf dem du singen kannst. Und da bist du ja in gewisser Weise auch familiär vorbelastet, oder?
Johannes Moser: Das kann man so sagen. Ich habe zwei Sängerinnen in der Familie, also einmal meine Tante Edda Moser und meine Mutter Edith Wiens. Und mein Großvater war auch ein Oratoriensänger. Gesang ist natürlich irgendwo mein musikalischer Start und meine musikalische Basis. Es ist aber auch gleichzeitig ein Mittel, mit dem ich sehr viel unterrichte. Ich bin ja auch Professor in Köln und versuche immer, wenn man über eine Phrase spricht oder wenn man über Musikgestaltung und -organisation spricht, auch über Atem zu sprechen. Also ich überlege mir immer: Der Bogen ist der Atem und die Saiten und die Finger machen im Grunde das, was die Stimmbänder machen sollen. Und damit hat man schon eine großartige Analogie zur Stimme und auch zum Atem. Also bevor man spielt, sollte man Atem holen. Das kann man leicht vergessen, wenn man sich einfach nur gedankenlos ans Instrument setzt - deswegen ist mir das wichtig.