Sendedatum: 21.04.2017 | 15:20 Uhr
1 | 4 Hatice Flörchinger, Diplom-Sozialpädagogin, Hannover: "Mich hat es sehr schockiert, dass so viele Türken dafür gestimmt haben. Andererseits kann ich das auch verstehen. Es ist eine Reaktion darauf, dass die Türken hier jahrelang Zielscheibe und Sündenbock waren. Sie konnten kein Heimatgefühl entwickeln, sie sind hier nicht richtig angekommen. Erdogan hat ihnen gesagt, dass er hinter ihnen steht, er hat ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl und Selbstbewusstsein gegeben. Was die Verfassungsänderung wirklich bedeutet, darüber haben sie sich, glaube ich, nicht informiert."
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2 | 4 Yilmaz Kilic, Vorsitzender des Moscheeverbandes DITIB Niedersachsen-Bremen: "Das Wahlergebnis zeigt auch, dass mehr für die Integration getan werden muss. Das Verhältnis zwischen Staat und Islam muss geregelt werden. Da können wir nicht noch länger abwarten. Seit 55 Jahren leben Türken in Deutschland und sie müssen jetzt als gleichberechtigte Bürger anerkannt werden. Aufgabe der muslimischen Verbände ist es, alles zu tun für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Der Moscheeverband DITIB wird seine Satzung so ändern, dass alles passt. Vor allem müssen wir aber wieder ins Gespräch kommen."
3 | 4 Gülistan Gürbey, Politikwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin: "Es ist zu vereinfacht, dieses Wahlverhalten ausschließlich auf eine fehlende Integrationspolitik in Deutschland zurückzuführen. Sicherlich spielen integrationspolitische Faktoren auch eine Rolle. Aber auch andere wichtige Faktoren wie der türkische Nationalismus üben einen entscheidenden Einfluss aus. Die türkische Gesellschaft ist über Jahrzehnte mit dem ideologischen Wert eines übertriebenen türkischen Nationalismus sozialisiert worden. Das wirkt bis heute fort. Hinzu kommt, dass sich weltpolitisch so eine Art Globalisierung eines Neo-Nationalismus anbahnt. Das sind günstige Rahmenbedingungen für das Erstarken von lokalen Nationalismen, was wir auch hier beobachten können."
© Gülistan Gürbey, Foto: privat
4 | 4 Avni Altiner, ehemaliger Vorsitzender des Moscheeverbandes Schura Niedersachsen: "Das Wahlergebnis hat deutlich gemacht: In allen Ländern Europas gibt es Populisten, die versuchen, Politik zu machen. Sie haben von dem aggressiven Wahlkampf profitiert. Davon müssen wir wegkommen. Viele Türkischstämmige, mit denen ich gesprochen habe, sind der Meinung, dass wir uns politisch auf Niedersachsen und die Bundesrepublik konzentrieren sollen. Weil wir hier leben, arbeiten und Familien gegründet haben. Wir konnten jetzt erleben, wie schädlich es ist, türkische Politik in Deutschland zu machen. Vor allem schädlich für unsere Gemeinden. Daraus müssen wir Lehren ziehen."
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