Besucher der Merkez-Moschee schauen sich am Tag der offenen Moscheen die Räumlichkeiten an. © picture alliance/dpa Foto: Roland Weihrauch
Besucher der Merkez-Moschee schauen sich am Tag der offenen Moscheen die Räumlichkeiten an. © picture alliance/dpa Foto: Roland Weihrauch
Besucher der Merkez-Moschee schauen sich am Tag der offenen Moscheen die Räumlichkeiten an. © picture alliance/dpa Foto: Roland Weihrauch
AUDIO: Tag der offenen Moschee: "Mehr Ehrlichkeit schafft Authentizität" (5 Min)

Tag der offenen Moschee: "Mehr Ehrlichkeit schafft Authentizität"

Stand: 29.09.2023 10:41 Uhr

Seit 1997 laden am 3. Oktober deutschlandweit Moscheen zum "Tag der offenen Moschee" ein. Sie bieten Moscheeführungen, Vorträge und Kulturveranstaltungen an, um Berührungsängste abzubauen. Eine Kolumne.

von Maryam Kamil Abdulsalam

Als Muslima frage ich mich: Was nehmen Besucher*innen einer Moschee von diesem Tag eigentlich mit? Ich denke darüber nach, weil ich selbst noch vor wenigen Wochen mit einer evangelischen Freundin an einer Moscheeführung teilgenommen habe. Ihr Inhalt bestand aus Erläuterungen zum Bau des Gebäudes, zur rituellen Waschung und dem Gebet.

Maryam Kamil Abdulsalam © Maryam Kamil Abdulsalam
Maryam Kamil Abdulsalam ist Rechtsreferendarin am LG Köln und Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn.

Die Führung bestand zu einem ganz großen Teil aus beschwichtigenden Antworten auf erwartbare Fragen, die die junge Frau, die die Führung leitete, erst gar nicht hören wollte. Das war zumindest mein Eindruck. So erklärte sie beispielsweise, in dieser Moschee gäbe es keine räumliche Trennung beim rituellen Gebet zwischen Männern und Frauen. Der große Moscheeraum sei ein Raum für alle, für Frauen und Männer. Die Frauen könnten frei wählen, wo sie beten wollten. Hier in dieser Gemeinde habe es sich eben so entwickelt, dass sich die Frauen lieber in ihren separaten Bereich zurückzögen.

Immer dieselben Fragen

Ich war verblüfft. Denn ich kenne diese Moschee ein wenig. Es stimmt zwar, dass es keine ganz strikte Trennung gibt wie in anderen Moscheen, denn hier erlaubt die offene Architektur den Blick von der oberen Tribüne, die für Frauen vorgesehen ist, auf den unteren Bereich, in denen die Männer beten. Mir - und ich vermute auch den anderen Frauen - war aber bis jetzt nicht bewusst, dass ich mir einen Gebetsplatz aussuchen könnte.

Mir war sehr schnell klar: Die junge Frau wollte unbedingt vermeiden, dass eine kritische Frage zur Geschlechtertrennung und zu Geschlechterrollen gestellt würde. Sie versuchte auf Kritik zu antworten, bevor sie geäußert wurde. Offensichtlich sind Muslim*innen bereits so durchdrungen vom Mainstream-Diskurs, der über Islam und Muslim*innen geführt wird, dass sie selbst in Situationen, in denen sie die Möglichkeit haben, ihre Religion und ihren religiösen Alltag vorzustellen, nicht anders können, als sich um diejenigen Fragen zu drehen, die ihnen seit Jahren vor die Füße geworfen werden.

Mehr Authentizität nötig

Nach der Führung habe ich mich gefragt, ob die Teilnehmenden nicht viel mehr davon gehabt hätten, wenn diese junge, selbstbewusste Frau davon erzählt hätte, was sie an dieser Gemeinde schätzt und worüber sie sich eben manchmal auch ärgert.

Das hätte den Besucher*innen vielleicht einen viel authentischeren Eindruck davon vermittelt, dass Moscheen für viele Menschen ganz besondere Orte sind, weil man darin - egal wo man gerade auf der Welt unterwegs ist - fast immer einen Ort findet, in dem man sich kurz ausruhen, das Gesicht waschen, einen frischen Schluck Wasser trinken und zur Ruhe kommen kann. Aber eben auch, dass Frauen manchmal auch enttäuscht darüber sind, dass sie doch keinen Platz oder nur einen sehr kleinen und sehr staubigen Platz bekommen.

Ich plädiere für einen ehrlichen Dialog

Und wären sie nicht vielleicht mit mehr Empathie aus dieser Moschee hinaus gegangen, wenn sie gehört hätten, dass die fünf Gebete am Tag für die Gläubigen ein Segen sind, weil sie immer wieder Momente der Spiritualität in den Alltagsstress hineintragen; aber es gleichzeitig auch anstrengend ist, sie immer pünktlich einzuhalten, weil man Termine hat und weil man vergesslich ist? Und auch weil diese Gebetspraxis an Orten wie zum Beispiel der Universität manchmal auf Widerstand stößt?

Ich denke, dass ein ehrlicher Dialog nur durch persönliche Begegnung, individuelle Perspektiven und vielseitige Erzählungen über religiösen Alltag gelingen kann. Damit kann der "Tag der offenen Moschee" in Zukunft vielleicht zu einem ehrlichem Dialog beitragen.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin / des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

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