Opferfest: Wie feiern muslimische Vegetarier?
Am Sonntag haben muslimische Gläubige weltweit das Opferfest gefeiert - das religiös bedeutsamste Fest des Islams. Zum Fest gehört traditionell der Verzehr von Fleisch. Wie gehen eigentlich Musliminnen und Muslime, die vegetarisch leben, mit dem Opferfest um?
Gülcan Nitsch isst seit ungefähr 20 Jahren kein Fleisch mehr. Für sie eine Selbstverständlichkeit - für ihre Mutter eine Herausforderung, ganz besonders am Opferfest: "Meine Mutter hat rebelliert und gesagt: Du bist doch so schlank, du kannst doch nicht einfach aufhören, Fleisch zu essen! Und dann hat sie gesagt: Wir Moslems sind sogar verpflichtet, Fleisch zu essen. Es ist unsere Aufgabe, Tiere zu töten und zu essen, wir haben doch unser Fest."
"Unser Fest" - das ist natürlich das Opferfest, "Eid ul-Adha" auf Arabisch, "Kurban bayrami" auf Türkisch. Das höchste Fest des Islam, sagt die islamische Theologin Asmaa El Maaroufi: "Wir haben das alljährliche Opferfest, das möchte, dass Muslime jährlich ein Opfertier schlachten - im Gedenken an Abraham, den Propheten, der uns mit dem Judentum und dem Christentum eint."
Die Verbindung des Opferfestes mit dem Schlachten
Im Koran erzählt Sure 37 vom Propheten Abraham: Im Traum bekam er den Befehl, seinen Sohn als Opfer zu bringen. Der Sohn wehrt sich nicht, sondern stimmt dem Willen Gottes zu. Dieser Gehorsam wird von Gott belohnt: Er schickt Ersatz, ein "herrliches Schlachtopfertier". Aus dieser Überlieferung rührt die Verbindung des Opferfestes mit dem Schlachten.
Für Gülcan Nitsch war das besonders schwierig, wenn sie zum Fest Verwandte in der Türkei besuchte: "Ich habe zu meiner Tante gesagt: 'Tante, das schmeckt sehr gut, aber das erinnert mich an Fleischgeschmack.' Sie hat geantwortet: 'Ach, da habe ich eine Handvoll geröstetes Hackfleisch reingetan.' 'Tante, ich esse doch kein Fleisch!' 'Ja, aber Hackfleisch ist doch kein Fleisch.' Das war sehr schlimm für mich. Ich habe geheult, dass meine Entscheidung nicht respektiert wird und dass ich reingelegt worden bin."
Opfern in einem viel weiteren Sinne verstehen
"Ich glaube, ich kenne keine Veganerinnen und Veganer, die nicht solche Erfahrungen gemacht haben: der Überraschung, aber auch des Verzweifelns", sagt die islamische Theologin Asmaa El Maaroufi. "Aber dennoch ist darin keine Verpflichtung, es nicht zu tun, es stellt keine Sünde dar. Demnach mache ich mich nicht sündig, wenn ich von diesem Fleisch nicht esse."
El Maaroufi lebt selbst vegetarisch - das Opferfest war lange die einzige Ausnahme. An diesem Tag hat sie trotzdem Fleisch gegessen, aus religiösen Gründen. Inzwischen kocht die Theologin zum Feiertag ein vegetarisches Festmahl. Das Opfern, sagt sie, ist in einem viel weiteren Sinne zu verstehen als nur in Bezug auf das Schlachten eines Tieres: "Opfern von schlechten Gewohnheiten, Opfern von Dingen, die man immer schon loswerden wollte: Diese spirituelle Dimension, diese familiäre, gesellschaftliche Dimension, die soziale Dimension des Festes wird dabei außer Acht gelassen. Deshalb ist das für jemanden, der das primär mit Fleisch zusammendenkt, komisch zu hören: Ich schlachte kein Fleisch oder ich esse kein Fleisch und entscheide mich doch dafür zu feiern."
Akzeptanz von Vegetariern eine Generationenfrage
Noch ist das oft erklärungsbedürftig, aber das sei vor allem eine Generationenfrage, sagt Asmaa El Maaroufi. Eltern und Großeltern hätten oft Mangel erlebt, Fleisch stehe in diesen Generationen für Wohlstand und gutes Leben. Aber das ändere sich gerade, auch unter Muslimen: "Da wir in der muslimischen Gemeinschaft zunehmend mehr muslimische Vegetarier*innen und Veganer*innen haben, ist das kein neues Bild wie vor 30, 40 Jahren. Sondern man gewöhnt sich mittlerweile daran, und die ganzen verschiedenen Küchen unterschiedlicher Art sind mittlerweile auch sehr auf Vegetarier*innen und Veganer*innen ausgerichtet, sodass das immer passt."
Diesen Wandel spürt auch Gülcan Nitsch: "Das Positive war, dass bestimmte Leute sich das gemerkt haben: Ein Jahr danach hatten sie speziell für mich Teigtaschen mit Käse oder Kartoffeln. Das fand ich süß, und das hat mich darin bestärkt, dass es Leute gibt, die das akzeptieren."