Lieber Hinterhof als Gala: Iftar-Mahl im Ramadan
Der Ramadan hat begonnen. Einen Monat lang nehmen gläubige Muslime nichts zu sich zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang. Sobald es dunkel wird, feiern sie ihr Fastenbrechen, das sogenannte "Iftar". Immer öfter auch gemeinsam mit Nichtmuslimen. Auf großen Iftar-Empfängen oder in einer der vielen kleinen Moscheegemeinden im Norden.
Von Rauf Ceylan
Der Fastenmonat Ramadan gehört mittlerweile auch für viele Nichtmuslime zum Alltag. Politiker senden zu Beginn des Monats ihre Grüße an Muslime aus, Medien klären über seine Bedeutung auf. Denn es geht um viel mehr als um das reine Fasten. Den "Geist des Ramadans" zu erleben, das heißt für Muslime, sich noch stärker in dieser Zeit an Gott zu binden. Sich in Demut zu üben, viel zu spenden, das Hungergefühl bei bedürftigen Menschen nachzuempfinden und die eigene Willenskraft zu stärken.
In diesen 29 beziehungsweise 30 Tagen sollte sich der Gläubige aber auch seiner sozialen Verantwortung bewusster werden. Damit meine ich konkret: Muslime sollten ihren Iftar-Tisch teilen - mit Verwandten etwa, Bekannten und Nachbarn. Auf offizieller Ebene funktioniert das schon gut. Dank muslimischer Dachorganisationen wie DITIB oder dem Zentralrat der Muslime ist das gemeinsame Fastenbrechen zu einer Tradition geworden. Ob in Hannover, Berlin oder Kiel: Vertreter der Religionen und zahlreiche andere Akteure aus dem öffentlichen Leben kommen an diesen Abenden zusammen.
Dinner-Gala mit "Networking"-Faktor
Allerdings sucht man dort oft vergeblich den Geist des Ramadans. Denn nicht die bescheidene Atmosphäre eines Iftar-Abends wird man dort antreffen, es ist vielmehr eine Art Dinner-Gala für die Eliten. Eine politische Inszenierung mit Reden, tanzenden Derwischen und hohem "Networking"-Faktor. Sehen und gesehen werden, so lautet das Motto. Natürlich ist es ein Zeichen von Anerkennung, wenn Nichtmuslime dieser Einladung folgen. Und sicherlich sind für muslimische Organisationen diese Abende ein wichtiger Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit.
Ich persönlich kann diesen Abenden allerdings nicht viel abgewinnen. Daher empfehle ich, lieber eine der zahlreichen kleinen Hinterhofmoscheen aufzusuchen, wenn man wirklich die spirituelle Atmosphäre der Iftar-Abende erleben möchte. Mit bescheidenen Mitteln wird dort den ganzen Monat über kostenlos Essen für Studenten, Nachbarn und ältere Menschen gekocht. Menschen aus den unterschiedlichsten Schichten sitzen zusammen und tauschen Gedanken und Gefühle aus. Im Gegensatz zu den eher protzigen Iftar-Galas, kann hier jeder ohne Einladung einen Platz am Tisch bekommen. Auch Nicht-Muslime aus der Nachbarschaft entdecken mittlerweile diese Abende und trauen sich, die Schwelle zum Hinterhof zu übertreten.
Nahrung für die Seele
Es ist leider jedoch noch nicht im Bewusstsein der Muslime verankert, ihre nichtmuslimischen Nachbarn zum Iftar nach Hause einzuladen. Immer noch werden in die private Wohnung nur muslimische Verwandte und Bekannte eingeladen. Das ist schade. Und auch eine vertane Chance. Denn das gemeinsame Essen hat einen sehr hohen Stellenwert unter Muslimen. Indem der Gastgeber seinen Tisch mit dem Gast teilt, drückt er aus: Du bist willkommen, du bist etwas Besonderes. Diese gemeinschaftsbildenden Momente sind also nicht nur Nahrung für den Körper, sondern auch für die Seele. Und: Diese Momente mit den nichtmuslimischen Nachbarn in den eigenen vier Wänden zu teilen, wäre ein großer Schritt für das friedliche Zusammenleben. Eine bessere Grundlage für gelebte Interreligiosität kann es nicht geben.