"Beten macht wieder Spaß" - Alltag in der neuen Al-Nour Moschee
Für die Mitglieder der Al-Nour Gemeinde in Hamburg war es ein ganz besonderer Freitag in der vergangenen Woche. Zum ersten Mal kamen sie in ihrer neuen Moschee, der umgebauten ehemaligen Kapernaum-Kirche, zum Freitagsgebet zusammen. Nach einigen Hürden und vielen Jahren als Baustelle hat nun der ganz normale Moschee-Alltag begonnen. Aber die Gemeinde hat auch noch viele Pläne.
Alltag in der neuen Al-Nour Moschee heißt: Fünf Gebete pro Tag. Das Freitagsgebet wird wegen der großen Nachfrage inzwischen sogar zwei Mal angeboten.
"Die Moschee ist offen für jede Religion"
Alltag war hier lange reines Wunschdenken. Der Umbau der ehemaligen Kapernaum-Kirche verzögerte sich immer wieder. Im Oktober wurden die Außenwände beschmiert, dann gab es auch noch einen Wasserschaden im Turmbereich. Aber am 4. Januar fand hier das erste Freitagsgebet statt. Ein feierlicher Moment.
"Das erste Mal da zu beten war sehr schön, das kann man nicht beschreiben", sagt ein Besucher. Ein anderer meint: "Außen Kirche, innen Moschee, es bleibt immer offen für alle!" Das findet auch diese Besucherin: "Es fühlt sich sehr gut an, es ist auch schön zu wissen, dass Religionen zusammenkommen. Die Moschee ist sowieso offen für jede Religion, für jede Glaubensgemeinschaft." Und ein Mann vergleicht seine Gefühle mit dem Umzug in eine neue Wohnung. "Man fühlt sich einfach wohl, und das ist wunderbar."
Al-Nour heißt auf Deutsch "Das Licht"
Auch Daniel Abdin, der Vorsitzende der Al-Nour Gemeinde, freut sich: "Es macht das Beten hier wieder Spaß, ich mag gar nicht mehr in die alte Moschee."
Die ehemalige Tiefgarage in St. Georg wird weiter als Moschee genutzt. Aber kein Vergleich zum neuen Gebäude. Nour bedeutet ja Licht - und das kann man hier wirklich wörtlich verstehen: Durch bunte Lichtprismen, den Originalen aus der Entstehungszeit, fällt farbiges Tageslicht auf den tiefroten Teppich. Gebrochen wird es von zarten Gittern an der Empore und rund um den Mihrab, die Gebetsnische. "Verstehen Sie mich, wenn ich sage, hier macht das Beten jetzt wieder richtig Spaß?" Man versteht ihn.
Die Frauen haben sich besonders gefreut
Samir El-Rajab ist der Imam der Gemeinde. Selten hat er so viele lachende Gesichter gesehen wie beim ersten Freitagsgebet: "Mit Worten kann ich meine Freude nicht ausdrücken, wir warten darauf schon seit Jahren“, sagt der Imam. „Ganz besonders haben sich die Frauen gefreut. In der alten Moschee gibt es tiefe Decken, keine Toiletten, Feuchtigkeit, usw und hier haben sie alles parat. Und viele ältere Damen haben sich beim Imam bedankt für den Fahrstuhl."
An der Empore, dort, wo die Frauen beten, sind Koran-Stellen, in denen Maria, die Mutter Jesu, gerühmt wird. "Als Respekt vor dem Gebäude als ehemalige Kirche", stellt Abdin klar.
Das Ziel: die interreligiöseste Begegnungsstätte Deutschlands
Die neue Moschee ist fertig. Aber Zeit zum Zurücklehnen gibt es nicht, lacht Daniel Abdin: "Unsere Arbeit fängt gerade erst an."
In der ersten Etage ist der Seminarraum. Ein Treffpunkt, Ort für Begegnung und auch der Prävention. "Wir machen Gespräche mit Jugendlichen, um Radikalisierung präventiv entgegen zu wirken", sagt der Vorsitzende der Al-Nour Gemeinde. "Für uns ist ganz wichtig: jegliche Art von Radikalismus ist eine Krankheit und muss natürlich behandelt werden. Egal was für `ne Art von Radikalismus. Wir machen viele Moschee-Führungen, um Islamfeindlichkeit entgegen zu wirken."
Daniel Abdin will die Moschee zu einem offenen Haus machen, sogar zur interreligiösesten Begegnungsstätte Deutschlands. Die bodentiefen Fenster des Seminarraums gehen hinaus auf die Sievekingsallee: "Viel Glas, große Fenster, Sichtbarkeit. Das heißt erstens mehr Licht, und zweitens Transparenz. Dass da nichts Verstecktes ist, sondern für die Menschen ist es eine offene Begegnungsstätte und dass jeder sich traut, jederzeit reinzukommen."
Ein Bewusstsein entwickeln als deutsche Muslime
Die Freitagsgebete werden nicht nur auf Arabisch gehalten sondern vom Imam persönlich ins Deutsche übersetzt. Abdin stellt weitere Projekte vor: "Patenschaftsprojekte, Projekte für Geflüchtete, Arbeitsvermittlung. Dann haben wir interreligiöse Projekte, sowohl mit der evangelischen Kirche als auch mit der jüdischen Gemeinde. Momentan führen wir Gespräche, um einen runden Tisch zu gründen, wo die Nachbarschaft, die örtliche Politik, Behörden, diverse Institutionen, die Kirchen gemeinsam daran teilnehmen und miteinander kommunizieren."
Aus der ganzen Welt gibt es Glückwunsch-Adressen. Und die hiesigen Kirchen, die jüdische Gemeinde - sie reihen sich ein. Ein starkes, ein lebendiges Signal gegen Ausgrenzung, gegen Fremdenhass, findet Abdin. Ein Signal, anzukommen. "Es wird Zeit, dass wir als Muslime ein Bewusstsein entwickeln als deutsche Muslime und uns loslösen von Ursprungsländern. Längst sind unsere Kinder und Kindeskinder hier geboren, wir sind ein Teil dieser Gesellschaft, wir müssen so agieren und uns gegenseitig respektieren."