Philipp Schmids Pilgerblog: "Reich beschenkt"
Tag 2
Zeit, dass es mal rappelt! Wir pilgern harmonisch, aufmerksam und sanftmütig, sind rücksichtsvoll und zuvorkommend. Wirklich eine tolle Gruppe, keine Frage, aber doch seltsam, dass alle sich so schnell auf ein gemeinsames Tempo, eine gleiche Ruhe und Ausgeglichenheit geeinigt haben.
Vielleicht ist das ein Spiegel unserer Zeit, dass uns das fehlt: Zeit zu haben, sich auf ein gemeinsames Tempo zu einigen. Gemeinsam zu beobachten, und erst mal auf sich wirken zu lassen. Im Internet sind wir immer fix mit Kommentaren und Meinungen. Schnell etwas "geliked" oder flott mit dem Daumen nach unten. Vielleicht haben wir die Sehnsucht, erst mal alles auf uns wirken zu lassen - und dann zu einem Urteil zu kommen. Oder eben unkommentiert zu lassen.
Wir sind gelassen auf dieser Reise, manchmal ausgelassen, bestens aufeinander eingelassen, aber müssen uns vielleicht auch mal in Ruhe lassen. Müssen eben für uns selbst nach einem Kommentar dazu suchen. Drüber nachdenken. So verzweifelt und hektisch wir im Alltag auf der Suche nach Entschleunigung sind, so gelassen vergessen wir hier das Ziel. Gelassen heißt ja nicht nachlässig. Beliebig.
Ein Traum ist der faszinierende Sternenhimmel und die wunderbare Natur. Als ich morgens meinen Hörern bei NDR Kultur meine Erlebnisse erzählt habe, stand ich im vom Morgentau feuchten Gras, der Hahn hat gekräht und ab und zu plumpste eine Birne ins Gras. Das alles sind Momente, die sich später zu dem zusammensetzen werden, was wir Erinnerung nennen. Aber das kann man auch im Urlaub erleben.
Während ich dieses Tagebuch schreibe, werde ich immer unsicherer - wovon berichte ich überhaupt? Von mir, oder vom Drumrum. Und gleich sitzt mir wieder die Erwartung im Nacken. Und sie lähmt mich dieses Mal. Wisst Ihr was: Schluss für heute. Ich denk' jetzt mal nix. In einem Song singt Nick Drake von einem Mann, der die meiste Zeit des Tages "außerhalb seines Kopfes" verbringt. Ich wünschte, ich könnte das auch. Und versuche es heute. Ich bin dann mal weg!