Philipp Schmids Pilgerblog: "Reich beschenkt"
Tag 3
Die Zeit vergessen. Heute sind wir spät losgekommen. Irgendwie haben wir uns nach dem Frühstück doch "vertüdelt" und bei den ersten Schritten war es schon fünf vor zwölf (was wiederum wegen der Doppeldeutigkeit gleich wieder für gute Laune gesorgt hat).
David hat uns als Denkanstoß kleine Zettel vorbereitet mit Bibelzitaten zum Thema "Zeit". Eine wunderbare Idee, denn Zeit spielt für Pilger in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle: man hat viel Zeit, man nimmt sich Zeit für so eine Reise, aber man muss die Zeit auch sinnvoll nutzen, das haben wir gestern deutlich gemerkt. Man muss vorankommen. Und man darf nicht die Zeit totschlagen (woher kommt das eigentlich, darüber muss ich mit dem Redensartenexperten David später auf dem Weg nochmal sprechen…).
Zu Fuß vergeht die Zeit langsamer - obwohl, sie vergeht wie immer, nur man nutzt sie intensiver. Wir haben Zeit nachzudenken, wir widmen einander Zeit unterwegs, aber brauchen auch mal Zeit für uns. Grade für mich als Frühmoderator ist Zeit im Alltag sehr wichtig, ich stehe früh auf, und so eine Morgensendung ist die Zeit, in der die Hörer immer wieder die Information brauchen, wie spät ist es, wieviel Zeit habe ich noch, und ich versuche, diese für manche schwierige Morgenzeit so angenehm wie möglich zu machen.
Auf der Pilgerreise frage ich mich hin und wieder, was würde ich sonst um diese Zeit machen, und ich frage mich eigentlich immer, was machen meine Frau und meine Kinder jetzt grade. Die Zeit vergeht manchmal unglaublich langsam, dann rast sie wieder. Und es schadet nicht, sich hin und wieder zu fragen, ist das sinnvoll investierte Zeit oder Zeitverschwendung.
Im Radio muss ich manchmal mit Sekunden rechnen, damit die Nachrichten pünktlich sind und man kein Musikstück ausblenden muss. Auf so einer Reise beginnt der Tag mit dem Sonnenaufgang (gestern und vorgestern wurde ich vom Hahn geweckt!) und vor Sonnenuntergang sollte man in der Unterkunft sein. Die Zeit dazwischen - ja, was machen wir mit der? Wem widmen wir die? Nur uns selbst, den anderen, wieviel Zeit verbringe ich damit, in Gedanken woanders zu sein, und wann bin ich ganz bei mir? Oder bin ich auch bei mir, wenn ich an andere denke. Meine Kinder müssten um diese Zeit schon längst im Bett sein. Ein schöner Sternenhimmel, Patrick und ich schauen schweigend in die Höhe. Wie lange? So lange, wie uns danach ist.
