Queer und Muslimisch - wie passt das zusammen?
Wie passen queere Liebe und Islam zusammen? Was bedeutet es für junge Musliminnen und Muslimen, wenn sie entdecken, dass sie zum Beispiel trans- oder homosexuell sind?
Wie bringen queere oder trans* Menschen Glauben und sexuelle Identität zusammen? Der Film "Queer und muslimisch" von Lennart Herberhold portraitiert drei junge Menschen, die jeweils einen ganz unterschiedlichen Weg gefunden haben als queere Muslime. Offen sprechen sie darüber, welche inneren und äußeren Konflikte sie erlebt haben, zum Beispiel innerhalb der Familie, aber auch innerhalb der muslimischen Gemeinde oder der queeren Community.
Ahmed: Anfeindungen beim Coming Out
Ahmed hat aus Liebe zu seiner Familie lange verdrängt, dass er queer ist. Er ist als Muslim in Berlin aufgewachsen. Bei seinem Coming Out musste er mit Anfeindungen aus seiner Familie leben und geriet dabei selbst in eine Lebenskrise. Er hat für sich einen Weg zum Glauben gefunden. Heute hat er wieder Kontakt mit seiner Familie, und er bietet sogenannte queer healing circles an. Das sind Orte, wo queere Musliminnen und Muslime ihre seelischen Verletzungen aufarbeiten können.
Ahmed will den Menschen Mut machen. "Es ist auch das Hoffen, dass andere queere Musliminnen und Muslime das sehen und sagen: 'Es gibt auch einen Weg, voll ihr selbst zu sein und in dieser Welt zu existieren, euren Platz zu finden und glücklich zu sein.' Ich glaube, ich hatte ganz lange nicht diese Perspektive."
Marco ist trans* und zum Islam konvertiert
Marco ist trans*, hat vor kurzem eine Ausbildung zum Imam gemacht und ist im Vorstand des "Liberal-islamischen Bundes". Er ist zum Islam konvertiert, denn der ist für ihn eine freie, vielfältige Religion. "Ich bin nie alleine. Egal was ich mache. Das ist eine der zentralen Botschaften auch im Islam und im Koran. Egal was passiert, es gibt einen barmherzigen Gott, der auf dich aufpasst!" Der Film begleitet Marco zu seinem Mentor, einem schwulen Imam in Marseille und bei der Eröffnung seines Gebetsraumes in Frankfurt. Doch sein Weg war und ist nicht immer einfach: "Die Strömungen, die für mich am gefährlichsten waren, waren tatsächlich rassistische queere Menschen, die nicht verstanden haben, warum ich so bin, wie ich bin. Das ist eine Quelle, wo ich extrem viel Hass abbekommen habe. Und eben auch nochmal die Gesamtgesellschaft, die einfach nicht verstehen kann, wie die zwei Sachen zusammen funktionieren." Er wolle den Menschen das Wissen an die Hand geben, damit sie selbst zu ihren Entschlüssen kommen können. Damit sie selbst für sich rausfinden: "Was bedeutet Glaube für mich? Was ist meine Aufgabe auf diesem Planeten?"
Abbas ist aus dem Libanon nach Hamburg geflohen
Abbas stammt aus dem Libanon, lebt jetzt in Hamburg und hat Asyl beantragt. Als Teenager war er an einer berühmten Religionsschule. Dann merkte er: Seine Sexualität und die strengen Regeln dieser Religion könnten im Libanon zum tödlichen Konflikt für ihn werden. Er hat sich vom Islam abgewendet. "Entweder du gibst auf und sagst: 'Ich bin nichts. Nichts als das, was die anderen wollen.' Oder du wehrst dich und sagst: 'Es gibt einen Weg. Die ganze Welt ist der Weg!'" Auf die Frage "Queer und Muslim - wie geht das?" antwortet er: "Gar nicht." Jetzt genießt er in Hamburg seine neue Freiheit - und muss gleichzeitig befürchten, wieder in den Libanon abgeschoben zu werden. "Du erlebst etwas. Du entdeckst es. Erstmal hast du keine Ahnung, dass es verboten ist. Du machst deine Erfahrung, mit einem anderen Jungen oder einem Mann. Du tust es einfach, instinktiv, weil es dir ganz natürlich vorkommt."
Zu sehen ist der Film unter anderem in der ARD-Mediathek.