Ein Mann sitzt auf einer Bank © Dr. Maike Manske Foto: Dr. Maike Manske
Ein Mann sitzt auf einer Bank © Dr. Maike Manske Foto: Dr. Maike Manske
Ein Mann sitzt auf einer Bank © Dr. Maike Manske Foto: Dr. Maike Manske
AUDIO: Hinrich Kruse - De plattdüütsche Hemingway (3 Min)

Hinrich Kruse - De plattdüütsche Hemingway

Stand: 17.07.2024 09:00 Uhr

Am 20. Juli jährt sich der 80. Jahrestag des missglückten Anschlags auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944. Aus diesem Anlass senden wird das Hörspiel "De Schrievdisch weer blank", in dem der profilierte niederdeutsche Autor Hinrich Kruse schildert, wie er selbst als Soldat diesen Tag erlebt hat.

von Christoph Ahlers

"Güstern is noch nich vörbi" is nich blots de Titel vun een Book mit Vertellen vun Hinrich Kruse - dat is ook dat Motto vun sien Schrieverswark överhaupt. 1916 weer Kruse in Toftlund in Nordsleswig to Welt kamen. Noh sien Beleevnissen in’n tweeten Weltkrieg is Kruse jümmers tegen dat Verdrängen un Vergeeten angahn. In een vun sien letzen Interviews sää he:

"De richtige Nazitiet is natürlich vörbi, avers dat geev dormols en Witz. Dor sää Fietje to Tedsche: Du, eendags wakst du op un denn sünd de Dusend Johr vörbi. Ja, segg he: Ik weet ni recht, un wenn se wedder anfangt? Dor spöölt doch noch mennig Kraam vun dormals in de Köpp rum, un wenn ik hüüt doran denk, an de Demonstrationen, de Ausländerfeindlichkeit, so fung dat dormols jüst so dormit an."

Un dat weer 1991! Woll keen annern plattdüütschen Schrieversmann hett sik mit Krieg, Nazitiet un de Fraag vun Schuld so intensiv utnannersett as Hinrich Kruse. Siet de föfftiger Johren hett he sien Beleevnisse inne Kriegstiet in Vertellen, Gedichten un Hörspeelen verarbeit’t. Kruse weer dormit lange Tiet en Utnahm ünner de nedderdüütschen Dichterslüüd.

Plattdeutscher "Nestbeschmutzer"?

Sien kritischen Utnannersetten mit de Gegenwart, mit den Krieg un wat dornah keem – dat weer wat nieget för de plattdüütsche Litratur. Un dormit hett he sik nich blots Frünnen maakt:

"Ik mutt seggen, man hett dat doon, ik heff nix bereut, denn ik worr je immer ansehn as de plattdüütschen Nestbeschmutzer, weil ik mi je gegen den Krieg un de Nazitiet wehrt heff. Jo, „Plattdeutscher Chefbewältiger des Vergangenen" dat heff ik ook mehrfach höört. Dat stimmt, mi hung dat allens ut den Hals ruut, wat ik in´n Krieg beleevt heff un dat muss ik vun de Seel loswerrn."

Dat niege weern nich blots de Themen – ne, ook de literarischen Formen, de he bruukt hett. De plattdüütsche Hemingway is he nöömt worrn, wieldat he de Short Story in de plattdüütsche Litratur inföhrt hett:

Wir hatten die Sprache des 3. Reiches satt

"Ik weer Dolmetscher in'n Krieg un harr immer engelsch afhöört, und dor heff ik vele Geschichten un Hörspele höört un dat is mi en Bispill ween. As wi ut den Krieg torüch kemen, dor harrn wi de Spraak vun´t drüdde Riek so satt, dor hebbt wi uns besunnen, ob dat, wat wi lehrt hebbt."

Schreibmaschine neben handschriftlichen Dokumenten © Dr. Maike Manske Foto: Dr. Maike Manske
"Mir hing das alles aus dem Halse heraus, was ich da im Krieg erlebt hatte. Das musste ich loswerden." (Hinrich Kruse)

Un so hett sik Hinrich Kruse op sien plattdüütche Moderspraak stütt, de he sik to sien Literaturspraak maakt hett. 1958 is sien erstet Book rutkamen: "Weg un Ümweg - Geschichten ut uns Tiet." He is uttekent worrn mit den Hans-Böttcher-Pries för nedderdüütschet Hörspeel un mit den Fritz-Reuter-Pries. Man sien eegen Schrieven weer nich allns: Hinrich Kruse hett ook Geschichten sammelt, de sik dat Volk vertellt hett - so as sien Vadder, den Volkskundler Johann Kruse, den se "Hexen-Kruse" nöömt harrn.

Muttersprache als Literatursprache entdeckt

Dat weern Geschichten över Füürpüster, Spökenkiekeree un Höhnergloven oder to’n Bispill vun den "starken Baas, den keeneen smieten kunn". Hinrich Kruse weer Schoolmester in de lütte Dörpsschool in Braak bi Niemönster, wo he ook bet to letzt wahnt hett. Bt to sienen Dood weer Kruse noch dormit togangen, de opsammelten Volksvertellen in Reeg to bringen un optoarbeiten. An'n 17. Juli 1994 - also för dörtig Johren- is Kruse dootbleven. Wat he trüchlaten hett, dat liggt nu inne Sleswig-Holsteensche Lannsbibliothek in Kiel. (1)

Wir danken der Landesbibliothek Schleswig-Holstein für die Bereitstellung der Fotos aus dem Nachlass von Hinrich Kruse. (Zu finden ist dieser dort unter der Nachlass-Signatur Cb198)

Zusammenfassung auf Hochdeutsch mit Unterstützung von ChatGPT4

Hinrich Kruse war ein plattdeutscher Schriftsteller aus Schleswig-Holstein, der sich intensiv mit den Themen Krieg, Nazizeit und Schuld auseinandersetzte. Geboren 1916 in Toftlund, kämpfte er nach dem Zweiten Weltkrieg gegen das Vergessen und Verdrängen dieser Zeit. In seinen Werken, die Erzählungen, Gedichte und Hörspiele umfassen, thematisierte er oft die Erinnerungen an den Krieg und die politischen Entwicklungen. Er wurde als "plattdeutscher Hemingway" bezeichnet, da er die Kurzgeschichte in die plattdeutsche Literatur einführte. Neben seinen eigenen Schriften sammelte er auch Volkserzählungen. Kruse starb 1994, und seine Nachlass befindet sich heute in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel.

Plattdeutsch-Reporter Christoph Ahlers blickt lächelnd in die Kamera. © NDR Foto: Lornz Lorenzen
AUDIO: Reporter Christoph Ahlers interviewte Hinrich Kruse im November 1991 (6 Min)
Weitere Informationen
Ein altes Radio steht vor einem alten Sofa. © photocase Foto: Allzweck Jack

Hörspiel: "De Schrievdisch weer blank"

Der Autor Hinrich Kruse hörte 1944 bei der BBC vom Attentat auf Adolf Hitler und erzählt in diesem Hörspiel von den Stunden danach. mehr

Reichsmarschall Hermann Göring (helle Uniform) und der Chef der "Kanzlei des Führers", Martin Bormann (l), begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete, mit der Absicht Hitler zu töten (Archivfoto vom 20.07.1944). Als am 20. Juli 1944 gegen 12.50 Uhr der Sprengsatz in der "Wolfsschanze" detoniert, ging Claus Schenk Graf von Stauffenberg vom Tod des Diktators aus. Für den Attentäter schien das größte Hindernis für den Sturz der Nazis beseitigt. © picture alliance / dpa Foto: Heinrich Hoffmann

Attentat vom 20. Juli 1944: Stauffenbergs Bombe soll Hitler töten

Am 20. Juli 1944 explodiert in Hitlers Hauptquartier eine Bombe. Doch von Stauffenbergs Versuch, den Führer zu töten, scheitert. mehr

Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer in einem 1944 aufgenommen Foto, wahrscheinlich dem Letzten, im Kreis seiner Familie. © picture-alliance / dpa | Hilfswerk 20. Juli

Mythos Stauffenberg: Wie das Attentat instrumentalisiert wurde

Ruth Hoffmann beleuchtet in ihrem Buch "Das deutsche Alibi", wie Politik und Gesellschaft im Wandel der Zeit auf das Stauffenberg-Attentat blickten. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Dat plattdüütsche Hörspeel | 15.07.2024 | 20:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Plattdeutsch

NS-Zeit

Mehr Kultur

Ein Mann hält ein rotes Buch in seinen Händen und schaut in die Kamera. © picture alliance / epd-bild Foto: Dieter Sell

Ostfriese übersetzt alle Psalmen der Bibel in modernes Plattdeutsch

Der ehemalige Kirchenpräsident der evangelisch-reformierten Kirche hat mit einer Arbeitsgruppe an einer verständlichen Sprache gefeilt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?