Eine Violine liegt auf schwarzem Hintergrund. © IMAGO / Cover-Images
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AUDIO: Musikinstrumentenfonds: Haben verliehene Instrumente NS-Hintergrund? (6 Min)

Musikinstrumentenfonds: Haben verliehene Instrumente NS-Hintergrund?

Stand: 23.02.2024 11:56 Uhr

An diesem Wochenende wird Hamburg zum Mekka für kommende Streicherstars. Die Deutsche Stiftung Musikleben verleiht wertvolle Streichinstrumente. Doch sechs davon sind mit der NS-Zeit verbunden. Was ist über ihre Herkunft bekannt?

Für junge Musikerinnen und Musiker ist es einer der wichtigsten Termine, denn einmal im Jahr heißt es: Teure Instrumente suchen junge Talente. Die Deutsche Stiftung Musikleben vergibt jedes Jahr hochwertige Streichinstrumente - also Geigen, Bratschen und Celli - an junge Musiker zwischen 14 und 30 Jahren. Ende Februar ist es wieder soweit - insgesamt 260 Instrumente werden als Preis eines Wettbewerbs in Hamburg verliehen. Und da sind echte musikalische Schwergewichte dabei, wertvolle Instrumente, teilweise aus privatem Besitz, teilweise gehören sie der Stiftung selbst oder auch dem Bund.

Instrumente stammen vom damaligen Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda

Sechs der Instrumente aus Bundesbesitz sind allerdings mit einem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte verbunden, der NS-Zeit. Sie stammen nämlich vom damaligen Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Martin Eifler ist der Leiter des Musikreferats bei der Kulturbeauftragten des Bundes - und bemüht sich darum, mehr über die Herkunft der Instrumente in Erfahrung zu bringen. Noch gibt es viele Wissenslücken, die aber hoffentlich in naher Zukunft gefüllt werden können. Mit welchen Problemen Martin Eifler bei den Recherchen zu kämpfen hat und ob es sinnvoll wäre, die jungen Musikerinnen und Musiker über die Herkunft der Instrumente zu informieren, hat er im Gespräch mit NDR Kultur erzählt.

Was ist über die Herkunft der Instrumente eigentlich bekannt?

Martin Eifler: Über die einzelnen Instrumente haben wir keine historischen Akten. So wie man das heute machen würde, dass man ein Zertifikat verlangt - also nicht nur auf der Grundlage guter Fotos -, sondern man auch mit deutlichen Hinweisen zur Provenienz ausgestattet wäre. Das gab es damals überhaupt nicht, sodass also Ihre Frage nicht ganz eindeutig zu beantworten ist. Wir wissen in einigen Fällen aus den Akten, von welchem Geigenbauer sie angekauft worden sind. Aber wir wissen nicht, woher diese Geigenbauer diese Instrumente damals bezogen haben.

Und da wird es jetzt spannend, weil es ja bekannt ist, dass der "Sonderstab Musik", so hieß es in der NS-Zeit, in den von Nazi-Deutschland besetzten Ländern Raubzüge durchgeführt hat - auch mit dem Ziel, Instrumente für deutsche Orchester, Musikschulen und so weiter zu erbeuten. Vor diesem Hintergrund: Wie glaubhaft ist es, dass das Reichspropagandaministerium diese Instrumente -und/oder die Geigenbauer die Instrumente - wirklich rechtmäßig erworben haben?

Eifler: Das ist eine durchaus berechtigte Frage. Ich muss dazu noch sagen: Wir haben natürlich dann auch, bevor wir überhaupt die Instrumente in den Deutschen Musikinstrumentenfonds gegeben haben, Recherchen im Bundesarchiv angestellt, um auch in diesem Punkt mehr Informationen zu bekommen. Aber außer diesen allgemeinen Informationen, die ich Ihnen jetzt so im Groben schildere, gibt es da eben keine konkreteren Angaben, die einen direkten Zusammenhang erkennen lassen. Wir können ihn nicht ausschließen, das ist vollkommen richtig. Und deswegen ist es für uns auch eine ganz wichtige Aufgabe, dass wir weiter versuchen wollen - und auch bereits dabei sind - diese Zweifel auszuräumen oder auf der anderen Seite eben auch Gerechtigkeit walten zu lassen. Das steht in erster Linie als Aufgabe an.

Die Recherchen nach der Herkunft gehen also auch von Ihrer Seite aus weiter.

Eifler: Ja, natürlich. Alleine schon der Umstand, dass wir heute im Bereich der Digitalisierung auch weitere Möglichkeiten haben, eröffnet wahrscheinlich auch neue Möglichkeiten, vertieft mit Stichworten weiterzukommen. Und der zweite Punkt ist ganz wichtig: Dass wir auch international zusammenarbeiten. Unsere Akten, was wir haben, geben wir immer raus. Das ist ganz wichtig, weil es auch unser Anspruch ist, da sehr offen damit umzugehen. Das ist unsere Verantwortung. Durch die internationale Kooperation, die sich gerade im letzten Jahr noch einmal deutlich verstärkt hat, hoffen wir, auch Quellen erschließen zu können, die uns bisher verschlossen waren.

Stichwort Offenheit: Ein Cello von diesen sechs, nämlich das von Joseph Guarnerius, wird an diesem Wochenende an einen jungen Cellisten oder eine junge Cellistin vergeben. Sollten diese jungen Menschen nicht zumindest ansatzweise darüber informiert werden, dass es in der Geschichte dieser Instrumente dunkle Flecken gibt und auch die Möglichkeit, die nicht unwahrscheinlich Möglichkeit, dass sie von einem Verbrecherregime geraubt worden sind?

Eifler: Das ist eine Fragestellung, der wir uns auch immer wieder gestellt haben. Es ist aber eine Fragestellung, die sich in erster Linie an die Besitzer richtet und weniger an die jungen Künstlerinnen und Künstler. Die Frage ist ja: Was verändert sich für sie, wenn sie diese Informationen im Detail haben? Wir gehen erst einmal offen damit um. Das muss ich mal so sagen. Wir bewegen uns ja hier auch noch in einem Feld, wo es auch viel um Spekulationen geht. Das eine ist, dass diese Instrumente ein bisschen der Spekulation ausgesetzt sind. Und das hilft, glaube ich, den jungen Künstlerinnen und Künstlern in der Weise nicht, sondern es hindert sie eigentlich ein bisschen daran, sich auch über den Preis zu freuen. Auf der anderen Seite haben Sie vollkommen recht, dass es eine Möglichkeit wäre, das Thema eben auch in der künstlerischen Auseinandersetzung deutlicher zu machen - zum Beispiel, Werke von verfemten und verfolgten Komponisten zu lesen. Ich sehe es als unsere Aufgabe haben an, und die Informationslage ist wirklich für jedes Instrument noch sehr, sehr dürftig.

Aber Sie wissen schon den genauen Zeitpunkt, in dem dieses Cello in den Besitz des Reichspropagandaministeriums gekommen ist?

Eifler: Es wird um das Jahr 1941 gewesen sein. Mehr kann ich Ihnen aber dazu nicht sagen. Das ist im Falle des Cellos tatsächlich noch offen. Das meine ich damit: Das macht es ein bisschen schwierig, damit umzugehen. Deswegen bleibt gar keine andere Chance, kein anderer Weg, als wirklich vertieft dort nachzuforschen und zu versuchen, durch Vernetzung noch mehr Informationen zu bekommen. Denn natürlich: Dieser Makel, der bleibt - und damit muss man auch offen umgehen. Das ist unbenommen.

Das Gespräch führte Marcus Stäbler.

 

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 23.02.2024 | 09:40 Uhr

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