Corona-Hilfen in HH: Rückzahlung bringt Kulturschaffende in Existenznot
Corona-Hilfen hielten Kulturschaffende während der Pandemie über Wasser. Nun sollen viele das Geld zurückzahlen - und sind dadurch in einer schwierigen Lage, wie zwei Beispiele von Musikern aus Hamburg zeigen.
Trotz Solidaritätsbekundungen aus der Gesellschaft und Hilfspaketen von der Politik gerieten viele Solo-Selbständige in der Corona-Pandemie in Not. Nach den Schwierigkeiten der vergangenen drei Jahre stehen jetzt auch in Hamburg viele Künstlerinnen und Künstler vor dem Problem, dass sie Hilfsgelder zurückzahlen sollen.
Perkussionist Yogi Jockusch: "Standen komplett vor dem Nichts"
"Ich weiß, dass ich noch nie so unter Druck gestanden habe", erzählt der Perkussionist Yogi Jockusch über die vergangenen Pandemie-Jahre. Der Berufsmusiker war immer gut gebucht. Er spielte in Orchestern, gab Konzerte in der Elbphilharmonie, ging auf Tourneen. Dann kam im März 2020 der erste Lockdown und alles wurde anders. "Innerhalb weniger Tage wurde alles abgesagt, bis weit in das folgende Jahr hinein", erinnert sich Jockusch. "Wir standen eigentlich komplett vor dem Nichts, das war schon gravierend."
Solo-Selbständige: Fehlende Betriebskosten als Problem
Für den Perkussionisten bedeutete die neue Situation: Kein Einkommen bei normal weiterlaufenden Kosten - wie sollte er jetzt seine fünfköpfige Familie ernähren? Von der Stadt Hamburg bekamen Kulturschaffende wie er 2.500 Euro Soforthilfe, die alle behalten durften. Schwierig wurde es dann bei der Bundeshilfe, um die sich Jockusch als nächstes bemühte. Auch hier trat das bekannte Problem auf: "Die war orientiert an den Betriebskosten, die ein Unternehmen hat. Und als solo-selbstständiger, freischaffender Musiker hat man nicht so viele Betriebskosten."
"Die glauben, uns wurde monatelang alles bezahlt"
Der Musiker Mirko Frank hat ein Tonstudio, leitet eine Musikschule und spielt in verschiedenen Bands in Hamburg. Alle Standbeine brachen ihm damals weg. Er erzählt: "Ich erfahre immer wieder in Gesprächen mit Freunden und Bekannten, die nicht im Kulturbetrieb tätig sind, dass die glauben, dass den Künstlern monatelang alles gezahlt wurde."
Geld vom Bund mussten viele komplett zurückzahlen
Wie Jockusch bekam auch Frank die Hilfe vom Land, dann vom Bund. Doch später folgte die Ernüchterung: Das Geld vom Bund muss er, wie Jockusch und viele andere, komplett zurückzahlen. Wegen eines Irrsinns, sagt er: "In der freien Wirtschaft werden die Sachen oft erst später, manchmal sechs bis acht, manchmal zwölf Wochen später, überwiesen und nicht sofort. Das heißt, ich hatte logischerweise auch Einnahmen in diesen ersten drei Monaten, in denen ich den Antrag gestellt hatte (...), aber die Gelder kamen aus dem Vor-Corona-Zeitraum, sie sind nur zeitversetzt überwiesen worden."
Verdi-Vertreterin: "Dschungel an Bürokratie und Förderhilfen"
Deutschland habe mit riesigen Summen vor allem kulturelle Strukturen gefördert, während freie Kulturschaffende kein Geld zum Leben gehabt hätten. Verdi, die größte Vertretung für Solo-Selbständige in Europa, rügt die Politik: "Die Förderungen wurden nicht an die Kulturschaffenden angepasst", sagt Gewerkschaftssekretärin Lara Drobig. "Es war einfach ein Dschungel an Bürokratie und Förderhilfen, die nicht aneinandergepasst haben. Diese Hilfen haben nicht da angesetzt, wo das Problem lag, nämlich die Solo-Selbstständigen in ihrer Existenz zu sichern."
Kultursenator Brosda: "Dafür sind die Sozialsysteme da"
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda sagt zum Thema Absicherung: "Man muss aufpassen, dass man nicht den Ländern oder der Kulturförderung die Aufgabe überantwortet, Lebenshaltungskosten zu sichern. Das können wir gar nicht von den Mitteln, die wir haben. Dafür sind Sozialsysteme da, die das übernehmen müssen. Die Diskussion, was man dort machen kann und machen soll, wird ja auch gerade im Bund geführt."
Viele Künstlerinnen und Künstler haben das Angebot für den "erleichterten Zugang" zu Hartz IV nicht als wirkliche Hilfe empfunden. Sie konnten schließlich nicht arbeiten und die Grundsicherung deckte ihren Bedarf nicht.
Musiker Mirko Frank: "Viele fühlen sich zweitklassig"
Mirko Frank hat sich auch am scharfen Ton der Rückzahlungsforderungen gestört - und daran, dass ihm Betrug unterstellt wurde. Für ihn hat Corona außerdem wie unter einem Brennglas sichtbar gemacht, was für die Kulturschaffenden ohnehin im Argen liegt: "Ich glaube, dass viele sich zweitklassig fühlen. Man ist eigentlich immer prekär unterwegs, und dann kommen die Leute, stecken einen Euro rein, der Künstler tanzt ein bisschen und dann ist auch wieder gut. Aber im Endeffekt braucht man das ja alles gar nicht."