"Landschaft gewährt die Ruhe, die in Städten verloren geht"
Der Kieler Philosoph Ralf Konersmann beschäftigt sich in seinen Texten und Büchern mit der "Unruhe der Welt". Ein Gespräch über das "langsame Sehen" und den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Kunstwerken und der Natur.
Herr Konersmann, Sie sind unter anderem Experte für die philosophische Begriffsgeschichte und erforschen Metaphern, sprich Sprachbilder. Sie haben sich mit der "Unruhe der Welt" beschäftigt, was ein Bestseller war, und mit "Welt ohne Maß". Da ging es, angefangen von den Stoikern bis in die Moderne, um das schwindende Vertrauen in die Ordnung der Welt. Woran arbeiten Sie jetzt gerade?
Konersmann: Ich komme gerade auf ein anderes Thema zurück, das ich schon vor Jahren bearbeitet habe: das Sehen. Was mich interessiert, ist der Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Kunstwerken und der Wahrnehmung der Natur. Meine These ist, dass die Landschaft in der Malerei erst im 17. Jahrhundert einen eigenen Wert bekommen hat und so zu Ehren gekommen ist. Vorher gab es natürlich auf Gemälden auch landschaftliche Motive. Aber die hatten mehr dekorative Funktion: also keinen Eigenwert. Plötzlich gab es die reine Naturansicht im Bild, die Menschen werden zu ganz winzigen kleinen Figuren, die im Panorama der Natur aufgehen und verschwinden. Übrigens auch in der Wirklichkeit, die Parks und großen Gärten von Versailles und Wörlitz, die entstehen alle in dieser Zeit.
Da hatte man für das Sehen mehr Zeit?
Konersmann: Da hat das Sehen den imaginären Raum abschreiten können. Und es gibt schon bald das Phänomen, das vielfach beschrieben worden ist, dass man natürliche Landschaften, den Außenraum, plötzlich auch bildartig wahrnimmt. Es gibt eine Szene bei Rousseau, in dem Briefroman "Julie oder die neue Heloise" (Julie ou la Nouvelle Héloïse), der zu den erfolgreichsten Romanen im 18. Jahrhundert gehörte - neben Goethes "Werther" und Voltaires "Candide". Jedenfalls gibt es da einen Abschnitt, wo Rousseau beschreibt, wie jemand gleichsam den Augen folgend einen Raum durchwandert. Durch ein Gebirge, das wie auf einem Bild gestaltet ist. Also das springt ständig zwischen Sehen und Gehen hin und her. Dieses Gehen durch das Gebirge und das Auge, das gleichsam den Weg weist. Das ist ganz faszinierend. Und da kommt das Problem des "Tempo des Sehens" und auch des "langsamen Sehens" auf. Man eilt nicht durch dieses Seh-Panorama, sondern man lässt sich Zeit, diese ganzen Einzelheiten abzuschreiten, imaginär natürlich, um die Natur angemessen zu betrachten und sich auf sie einlassen zu können. Da geht es um das Maß des Sehens.
Das klingt aber jetzt so ein bisschen nach Achtsamkeitsübung.
Konersmann: Ja, oder sagen wir eine "Aufmerksamkeitsübung", dass man überhaupt diese ganzen Details der Landschaft: Vordergrund, Hintergrund, links, rechts, oben, unten, dass man das überhaupt alles in sich aufnimmt. Erinnern wir uns dazu im Kontrast an die ältere Malerei, die vor allem Geschichten erzählen sollte. Sie erzählt eine Anekdote, im Regelfall aus der Bibel, und die wird ins Bild gesetzt. Die Landschaft verweigert dieses Geschichtliche, verweigert dieses Anekdotische. Die Landschaft ist nur die Landschaft, ist ein Schauwert. Und das eröffnet die Möglichkeit, jetzt nicht zu suchen und sich zu fragen, welche Bibelszene ist da wohl illustriert. Oder welche Berühmtheit das sein soll. Sondern man konzentriert sich ganz und gar auf das Sujet. Und das ermöglicht diese Langsamkeit. Weil man jetzt nicht hektisch wird, weil man jetzt nicht daran denkt, welche Frage beantwortet werden muss.
Ist das etwas, das wir wieder lernen müssen?
Konersmann: Ich denke schon. Diese Langsamkeit hat durchaus eine kulturkritische Attitüde. Und so wird sie auch schon im 18. Jahrhundert beschrieben. Die Landschaft ist sozusagen die Ruhe, gewährt die Ruhe, die in den großen Städten verlorengeht. Die Menschen in den Metropolen Paris, London, die erträumen sich die Landschaft als eine Gegenwelt.
Ja, mit der Moderne haben sich die Sehweisen geändert. Ich denke da an Wolfgang Schivelbuschs "Eisenbahnreise", ein Klassiker, in dem er beschreibt, wie die Räume zusammenschrumpfen. Sie gucken noch ein bisschen weiter zurück.
Konersmann: Interessant ist, dass man gar nicht erst dieser hyper-technologischen Erfahrung der Eisenbahnreise bedurfte, sondern auch schon vorher das Gefühl hat, dass in der großen Stadt ein anderes visuelles Regime verlangt ist. Man muss eben auf Überraschungen, auf Unvorhergesehenes gefasst sein. Ständig Straßenverkehr, Kutschen und eilende Pferde. So etwas gab es schon früher. Und da (im Landschaftsbild) ist plötzlich etwas, wo man sich einlassen und unbesorgt sein kann.
Was heißt "einlassen" für Sie? Ein In-das-Bild-hineingehen?
Konersmann: Na ja, das ist so ein "gesammeltes Sehen", das wäre ein Alternativausdruck. Das heißt, man kann sich "versenken", man kann sich dem "hingeben" und man kann in gewisser Weise seine Subjektivität, den Eigenwillen zurückstellen. Man kann sich dem Bild, dem "Werk", anvertrauen. Also der Werkbegriff, der Begriff des Kunstwerks, wird ja seit 30 bis 40 Jahren attackiert. Heute machen wir Aktionen oder Manifestationen und Performances. Heute ist es beim Kunsterleben so: Wir begegnen dem Kunstobjekt und bringen unsere Fragen mit, und das Bild antwortet entweder oder es antwortet nicht. Wenn es nicht antwortet, so lautet dann der Schluss, kann man es getrost vergessen. Dadurch werden Kunstwerke zu Spiegeln, die mehr oder weniger zu bestätigen haben, was wir sowieso schon meinen und für richtig halten.
Aber ist es nicht gerade die Aufgabe der Kunst herauszufordern?
Konersmann: Gewiss, darin genau besteht die Qualität des Werkbegriffs. Der Werkbegriff setzt voraus, dass das Kunstwerk selber eine Aussage macht, die nicht sofort ins Auge springt. Sondern die wir uns durch Einlassung erschließen müssen. Und Einlassung heißt auch, dass wir uns selbst infrage stellen müssen, dass wir unsere mitgebrachten Vorstellungen zur Disposition stellen.
Also wir müssen von uns selbst "ablassen"?
Konersmann: Sehr richtig: Wir müssen von uns ablassen. Also der Werkbegriff stattet die Kunstgegenstände mit Autorität aus. Und wir sind nun gefragt - nichts anderes heißt ja "verstehen". Wir müssen versuchen, die Frage zu verstehen, die das Kunstwerk uns stellt. Und dann fällt uns entweder etwas ein oder eben nicht, und wir können auch mit anderen darüber sprechen: "Ja, wie siehst du das?". Auf diese Weise kommt allmählich ein Prozess zustande, den man Rezeption nennt: dass viele Generationen nacheinander unterschiedliche Dinge an ein und demselben Kunstwerk bemerken. Aber es ist immer wieder dieser Referenzpunkt des Werks, dieses Werks, das uns zu immer neuen Fragen führt und immer neue Antworten ermöglicht. Das Werk ist der feste Punkt. Ganz wesentlich ist diese Vorstellung gefördert worden durch die Landschaft, die nicht Illustration einer bekannten Geschichte ist, sondern in einem radikalen Sinn selbst etwas ist. Ich spreche zum Beispiel von Monets Seerosen oder von Caspar David Friedrich.
Aber ist das nicht überhaupt eigenartig? Also sich über den Augensinn in etwas "einzulassen"? Auditiv, also hörend, bin ich immer schon mittendrin im Geschehen. Aber beim Sehen liegt alles vor mir, ist immer schon auf Distanz. Ist das dann die Kulturleistung, sich da trotzdem ins Bild hineinbegeben zu können?
Konersmann: Ja, sich hineinzubegeben und dessen innezuwerden. Das ist der Clou an der Landschaft. Dass ich, nach eingehender Betrachtung, nicht nur vor der Landschaft, sondern in der Landschaft stehe. Das heißt, es gibt dieses Hin und Her zwischen der Landschaft als Bild und der bildlichen Wahrnehmung der natürlichen Landschaft. Und diese Überlagerung ist relativ früh beobachtet worden. Da gibt es ganz viele literarische Zeugnisse sehr beeindruckender Art. Also, wie da Leute in Briefen schreiben, dass sich vor ihnen "ein Bild entrollt" habe. Zum Beispiel Kleist. Kleist schreibt das um 1800 herum an eine Freundin, beim Anblick des Elbtals bei Dresden. Man kann sich selbst zurücknehmen und diesen Eindruck auf sich wirken lassen. Und da kommt dann der Punkt, an dem dieses abtastende, abschreitende, verweilende, langsame Sehen einsetzt.
Ist das auch ein Plädoyer für die Imaginationskraft, Vorstellungskraft, die Fantasie? Wir sind heute einer vollständig übersättigten Bilderflut ausgesetzt.
Konersmann: Ich habe schon den Eindruck, dass die technische Verfeinerung letztlich abtötend ist. Ich merke das an mir selber. Ich schaue gern Schwarz-Weiß-Filme, Krimis, Western, Film noire. Aber zum Beispiel unseren Töchtern, als sie jünger und schon ein anderes Bildregime gewohnt waren, konnten wir damals mit sowas nicht kommen.
Heute gibt es detailreichste 4K-, 8K-Videos.
Konersmann: Im Grunde genommen ist das auch eine Entmündigung, weil wir nicht mehr aktiviert werden, sondern Kompetenz abgeben. Sie haben das Phantasie genannt, so etwas ist es auch. Bei einem Schwarz-Weiß-Film, vielleicht noch mit schlechtem Ton und scheppernder Musik, muss ich als Zuschauer viel mehr investieren, um in den Genuss zu kommen. Und insofern denke ich auch, dass diese Landschaftsbetrachtung, wie sie im 18. Jahrhundert imaginiert worden ist, einen fantasievollen und engagierten Betrachter voraussetzt.
Sie würden also Werbung für einen Museumsbesuch machen? Das ist ja vielleicht gar nicht so altmodisch. Es gibt so viele schöne Museen.
Konersmann: Ja, und man könnte sich mal allein vor ein Bild stellen. Man könnte sich aber auch zu mehreren vors Bild stellen und dann die Wege vergleichen, die das Auge gegangen ist und was die Attraktionspunkte waren, worauf man geachtet hat und vieles mehr. Ja, so kommt man, glaube ich, ins Gespräch und fragt sich, wie dieses und jenes kompositorische Element zu erklären ist.
Also Smartphone weglegen und ins Museum gehen. Das hört sich jetzt so etwas konventionell an. Aber vielleicht ist es gerade wieder State-of-the-Art. Ich habe auch gehört, dass manche Menschen anfangen, also vor allem jüngere Menschen, analog zu fotografieren, tatsächlich auch Schwarz-Weiß-Filme benutzen.
Konersmann: Ja, wichtig ist es ja auch erstmal, dass man sich aus dieser Passivität herausbegibt. Und sich dann sagt, so, ich probiere da mal etwas aus, ich versuche mal selber Bilder zu machen. Wie kann ich das rüberbringen, was mir vorschwebt oder was ich ursprünglich gesehen habe. Ist das dann da überhaupt auf dem Bild zu erkennen, kommt das zum Ausdruck?
Ist die Philosophie auch gefragt, sich mit den neuen Phänomenen des technischen Wandels und des Wahrnehmungswandels auseinanderzusetzen?
Konersmann: Aber auf jeden Fall. Das gehört in den Zusammenhang der Kulturphilosophie, der ich mich in besonderer Weise verpflichtet fühle. Da geht es darum, wie die moderne mediale Umgebung unsere Wahrnehmung verändert. - Es ist eine Überforderung natürlich. Wir haben im Netz alle Texte verfügbar. Wir haben im Prinzip alle Bilder verfügbar. Ja, und jetzt kommt die Frage auf, warum soll ich denn jetzt zu diesem Buch greifen? Warum soll ich mir dieses Bild ansehen? Wo es doch Millionen andere gibt. Offenbar sind uns die Kriterien verlorengegangen, die uns geholfen hätten, uns zu diesem Buch oder zu diesem Bild zu führen. Es herrscht der Eindruck einer großen Willkür.
Trauern Sie denn da so einem gewissen Bildungskanon nach? Also, das ist jetzt so ein schulischer Begriff.
Konersmann: Ich würde mal sagen, es fehlen orientierende Vorgaben. Das Problem ist, dass die neuen Technologien immer nur einer Generation wirklich helfen. Das ist die Generation, die noch, sagen wir mal, mit der Hand geschrieben hat, die dann am Computer arbeitet. Ich selbst habe jetzt beide Technologien und weiß zu schätzen, was die elektronischen Schreibsysteme mir abnehmen. Ich kann aber noch zurück, die Qualitäten des Schreibens mit der Hand kann ich mir ebenfalls noch zunutze machen. Während andere, die mit diesen elektronischen Möglichkeiten aufgewachsen sind, diese Option nun nicht mehr haben. Die haben irgendwann eine leblose Druckschrift gelernt, das reicht dann noch für den Einkaufszettel oder so. Neue Technologien haben einen Ablösungseffekt. Heute weiß kaum noch jemand, wie man mit Pferden umgeht, obwohl am Anfang ja Automobile so gebaut wurden, dass sie immer noch an Kutschen erinnerten, um diesen Übergang herzustellen und sich anzulehnen an die Erfahrungswelt der künftigen Kunden.
Also die meisten Technologien sind ja Verlängerungen der menschlichen Sinne (und Extremitäten), also der Kugelschreiber, den Sie zum Beispiel verwenden, wäre jetzt eine Verlängerung der Hand und des Fingers.
Konersmann: Ja, aber es gibt den Punkt, wo sich das umkehrt, wo die Technik eine neue Situation schafft. An die technischen Leistungen kommt der Einzelne mit seinen körperlichen und geistigen Kräften niemals heran, und spätestens in dem Augenblick übernimmt die Technik die Regie. Und es ist nicht mehr so, dass wir als geistige Wesen uns der Technik als eines Werkzeugs bedienen, sondern umgekehrt. Wir müssen uns in sie einarbeiten und lernen zu arbeiten nach Vorgaben der Technologie.
Ja, das würde aber bedeuten, Sie würden anders schreiben, mit der Hand würden Sie andere Inhalte produzieren als mit der Schreibmaschine oder dem Computer?
Konersmann:Ich könnte meine Sachen am Computer niemals schreiben. Also ich schreibe mit der Hand, und ich muss es mehrfach abschreiben, sonst wird das niemals funktionieren. Es gibt nichts, was ich jemals veröffentlicht habe, was ich nicht vorher mehrfach mit der Hand geschrieben hätte.
Auch Ihr Buch "Welt ohne Maß"? Alles mit dem Kugelschreiber?
Konersmann: Ich schreibe auf die Rückseiten von Kopien, die ich nicht mehr brauche, mit einem Kugelschreiber. Und dann habe ich so einen Tipp-Ex-Stift, mit dem ich das weißen kann, was mir nicht gefällt. Und dann schreibe ich das nochmal neu. Darauf folgt der nächste Überarbeitungsgang. Und dann ist es irgendwann so ein Chaos, dass ich es noch ein weiteres Mal sauber abschreiben muss. Und dann erst gebe ich es ins Diktat.
Das ist ja mal ein Outing!
Konersmann: Es gibt so einen Punkt. Vielleicht kennen Sie das noch, etwas Handgeschriebenes von fremder Hand getippt zu sehen. Und das ist der entscheidende Moment, man sieht dann plötzlich das Eigene als etwas Fremdes. Das ist ungemein hilfreich, weil man dann nicht so klebt an dem, was man sich mühsam erworben und ausgedacht hat. Wo man beim Schreiben dachte, Mensch, was für eine tolle Idee. Eine merkwürdige Form von Eitelkeit des Schreibers.
Konersmann: Wenn das jetzt Digital Natives lesen, was denken die denn da? Die sagen vielleicht, was für ein Romantiker?
Konersmann: Ja, gut möglich. Mir gefällt der mediale Wechsel von der Handschrift zu dem Getippten. Das erzeugt so einen Verfremdungseffekt, durchaus im brechtschen Sinn. Dass dies plötzlich ein anderer Text ist, und plötzlich sieht man auch die Schwächen. Eine enorme Erleichterung.
Das ist ja auch ein Abzieh-, ein Abstraktionsprozess, Ihre eigene Handschrift mit Ihren kalligraphischen Linien wird depersonalisiert. Aber dass Sie handschriftlich ganze Bücher verfassen, das finde ich sehr interessant.
Konersmann: Wie Sie richtig sagen, man streicht viel. Das heißt, zu dem Buch, das vielleicht 350 Seiten hat, habe ich ursprünglich mal 600 oder 700 Seiten geschrieben. Da ist ganz viel rausgeflogen.
Ich habe meine allerersten Arbeiten an der Universität tatsächlich noch an einer Schreibmaschine geschrieben. Und danach hatte ich einen kleinen Apple-Rechner, und da hatte ich anfänglich tatsächlich das Gefühl in so ein "Nichts" mit einem blinken-den Cursor hineinzuschreiben. Den handschriftlichen Schwung, der sich mit dem Fassen des Gedankens idealerweise zu einem klaren Satz verbindet, den gibt es da so nicht. Am Computer gebe ich Zeichen ein, die Sinn ergeben oder auch nicht. Das ist schon fragmentarischer, zerlegter.
Konersmann: Ja, aber es ist auch eine Temperamentssache. Also ich war in den 90er-Jahren mal mit Studenten in der Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Besuch bei Gustav Seibt, mit dem ich damals viel zusammengearbeitet habe. Wir waren in seinem Arbeitszimmer und sahen einen sauber aufgeräumten Schreibtisch, einen Computer in der Mitte und sonst nur Bücher, sonst nichts. Ich habe gefragt, "Schreiben Sie direkt in den Computer?" - Seibt ist wirklich ein sehr eleganter Schreiber -, und er bejaht. Der hat das schon damals so gemacht. Also insofern kann man das nicht verallgemeinern. Mit der Hand zu schreiben, ist natürlich und vor allen Dingen ein Luxus, weil es Zeit braucht. Die hat man im Journalis-mus nicht immer.
Ja, das ist richtig. Aber nochmal zum Handschriftlichen (als Wert an sich). Ich könnte mir vorstellen, dass Ihre philosophischen Werke dann vielleicht aufbewahrt werden in der Landesbibliothek in Kiel, in der Handschriftenabteilung, neben Theodor Storm? Das wäre so eine Idee.
Konersmann: Ja - so ist es auch. Die Landesbibliothek hat auch schon ungefähr ein Drittel von meinem künftigen Nachlass als Vorlass abgeholt. Den Rest sortiere ich noch.
Ist das nicht ein komisches Gefühl, archiviert zu werden?
Ja, das ist ein ganz komisches Gefühl. Was könnte jemanden interessieren? Die Landesbibliothek hat ja nicht unendliche Kapazitäten. Man hebt ja alles Mögliche auf, auch wenn man eingeladen wird zum Vortrag in irgendeine Stadt. Und dann hat man das Zugticket aufbewahrt. Nein, ich kenne ja auch Leute, die Nachlässe verwalten. Und die erzählen von Einkaufszetteln, die aufgehoben wurden. Diesen Eindruck möchte ich nicht erwecken. Also ich versuche dann schon, das Material zu verschlanken und auf wirklich aussagekräftige Zeugnisse zurückzunehmen.
Auf jeden Fall ist das eine große Ehre. Und möglicherweise gibt es spätere Generationen, wenn die dann noch in der Lage sind, Handschriften zu entschlüsseln, die dann möglicherweise Ihr Werk noch mal anders deuten. Herr Konersmann, vielen Dank für das Gespräch.