Ist Zufriedenheit erlernbar? "Glück" als Schulfach in Bad Doberan
"Glück" als verpflichtendes Schulfach - in sechs Bundesländern gibt es das bereits. Mecklenburg-Vorpommern gehört nicht dazu. Ein Gymnasium in Bad Doberan bietet in diesem Schuljahr erstmals den Wahlpflichtkurs "Glück" an.
Kann man Glück lernen? 15 Schülerinnen und Schüler des neunten und zehnten Jahrgangs nicken einvernehmlich. Luise ergreift als Erste das Wort: "Ja, ich denke auf jeden Fall, dass man Zufriedenheit steigern kann, indem man Dankbarkeitsübungen macht", sagt sie. "Dass man den Moment einfach mehr wahrnimmt: Dafür dankbar ist, dass man gerade glücklich ist. Denn so im Alltag übersieht man das auch oft, was einen glücklich macht."
Erster Glücks-Kurs zum Start des Schuljahrs
Diese Erkenntnis hatte sich Lehrerin Jeanette Militzer für ihre Schüler erhofft. Normalerweise unterrichtet sie Sprachen am Bad Doberaner Friderico-Francisceum-Gymnasium. Das Thema Glück hatte sie umgetrieben. Und weil Wahlpflichtkurse freier als der reguläre Lehrplan gestaltet werden dürfen, hat sie den Glücks-Kurs zum Start des Schuljahres zum ersten Mal angeboten. Die 14- bis 16-Jährigen haben das Angebot gern angenommen. "Glücklichsein ist ein schönes Gefühl", sagt Luise. "Ich denke, das kann man immer optimieren im Alltag. Es gibt immer Phasen, in denen man nicht ganz so glücklich ist und in denen man auf solche Praktiken gut zurückkommen kann."
Glückskunde gegen Testangst und Depressionen
Auch Louis hat ganz konkrete Gründe: "Ich hab diesen Kurs gewählt, weil ich gern wissen möchte, wie man glücklich wird und auch wegen meiner Testangst." Meditieren habe ihm sehr geholfen. "Das haben wir ein paar Mal gemacht in der Stunde."
Auch Martha möchte sich mehr mit dem Glück beschäftigen: "Ich hatte bis vor den Sommerferien ziemlich starke Depressionen. Die sind dann allerdings zurückgegangen. Ich habe trotzdem gedacht, dass ich vielleicht in diesen Kurs gehen sollte, weil ich mich noch mehr mit mir selbst beschäftigen könnte und wie ich glücklich sein kann."
Ein Ersatz für professionelle Hilfe bei seelischen Nöten soll der Unterricht nicht sein. Lehrerin Jeanette Militzer hat mit den Schülern besprochen, was sie vom Kurs erwarten können. Überrascht war sie davon, wie viel Erfahrung die Schüler etwa bei der Meditation mitbringen.
"Warum haben wir das überhaupt nötig?"
Landeselternratsvorsitzender Kay Czerwinski betrachtet die Idee, "Glück" als neues Schulfach einzuführen, mit Skepsis. Einerseits begrüßt er, dass die Kinder in der Schule aufs Leben vorbereitet werden. Auch den Ansatz der Doberaner Lehrerin finde er super. "Auf der anderen Seite bin ich auch erschrocken, dass wir das machen müssen, dass das überhaupt notwendig ist", sagt Czerwinski. "Dass wir Schüler mit Bulimie haben, dass wir das Ritzen haben, das zeigt, was wir den Kindern antun." Statt die Kinder zu "konditionieren", mit dem Stress klarzukommen, kämpfe er seit Jahren dafür, die Lehrpläne zu entschlacken. Ein weiteres Fach zu etablieren, sei nicht die Lösung.
Dem widerspricht Pädagogin Anja Krüger: "Ich persönlich brenne für das Schulfach 'Glück' und ich bin absolut davon überzeugt, dass es eine ganz wichtige Position in der Schule wäre." Die Lehrerin arbeitet am Zentrum der Lehrerbildung der Uni Rostock. Sie bildet andere Lehrer im Fach "Glück" aus. Noch müssen Studenten und Lehrkräfte die Kosten von etwa 2.400 Euro für die Weiterbildung selbst zahlen. Das Interesse ist dennoch groß. Anja Krüger wünscht sich, dass das Fach künftig auch in Mecklenburg-Vorpommern regulär angeboten wird. "In den Bildungsplänen steht, dass man Lebensfreude, Selbstvertrauen, Verantwortung an die Schülerinnen und Schüler herantragen soll. Das ist das zentrale, worum es im Schulfach 'Glück' geht", sagt sie. "Eigentlich kann man sich das vorstellen wie einen Kompass für ein gelingendes Leben." Lehrerin Jeanette Militzer würde das Fach gern dauerhaft auf den Lehrplan setzen.