Florian Jacobsen im Interview
Wie hört sich prasselnder Regen an? Wie entsteht eine Schwimmbad-Atmosphäre? Für das Projekt "Hörspiel in der Schule" fahren Teams von N-JOY, NDR Kultur und NDR Info gemeinsam mit Hörfunkproducern für jeweils einen Vormittag lang an Schulen im gesamten Sendegebiet und begeistern sowohl Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte. NDR Mitarbeiter und Hörspiel-Profi Florian Jacobsen verrät im Interview, wie der NDR den Zauber des Hörspiels in die Klassenzimmer bringt und wie wichtig das Zuhören ist.
Florian Jacobsen, Du bist freier Mitarbeiter bei Mikado, dem Kinderradio von NDR Info. Gemeinsam mit einem Producer oder einer Producerin besuchst Du im Rahmen des Projekts "Hörspiel in der Schule" regelmäßig Schulklassen in Norddeutschland. Was macht dieses Projekt so besonders?
Da gibt es für mich mehrere Faktoren. Das Projekt bietet mit einer schlüssigen Didaktik die Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern innerhalb weniger Stunden den Zauber des Hörspiels näherzubringen. Am Ende des "Hörspiel in der Schule"-Tages wissen die Teilnehmer nicht nur mehr übers Hörspiel, sondern wissen Hörspiele auch mehr zu schätzen. Denn sie merken bei den eigenen Aufnahmen, wie viel Arbeit, Spaß und Herzblut in einem guten Hörspiel steckt. Das ist vermutlich der wichtigste Punkt, den wir vermitteln können.
Wir bringen aber noch mehr mit als das: Wir lenken die Aufmerksamkeit auf das Zuhören - eine Fähigkeit, die übrigens nicht so selbstverständlich ist, wie man normalerweise annehmen möchte. Nicht bei Kindern und auch nicht bei uns Erwachsenen. Zuhörkompetenz steht deshalb mittlerweile zu recht in den Lehrplänen der Schulen. Aktives Zuhören bedarf einer Intention, man muss es wollen. Wenn ich eine Szene aus einem NDR Kinderhörspiel vorspiele, in der das Geräusch eines herunterfallenden Kirchturmzeigers zu hören ist, gebe ich den Schülerinnen und Schülern die Aufgabe an die Hand: Wie klingt wohl ein herunterfallender Kirchturmzeiger? Und wie wurde das Geräusch im Hörspiel erzeugt?
Bis sie darauf kommen, dass ein fallender Gegenstand von sich aus erstmal kaum klingt und dass ein halbes Orchester für das Geräusch eine Tonleiter heruntergespielt hat, dauert es eine Weile. Aber genau das schafft Bewusstsein für aktives Zuhören, und das wiederum kann nochmal ganz neue Welten öffnen.
Die ausgelosten Klassen können sich aus verschiedenen NDR Hörspielen eines aussuchen, welches sie im Unterricht behandeln. Es gibt pro Altersstufe zwei Hörspiele, die sie selbst umsetzen können. Inwiefern unterschieden sich die Ergebnisse?
Die Ergebnisse unterscheiden sich immer ein bisschen. Auch wenn es jetzt vielleicht das 30ste Mal ist, dass ich mit Kindern das Detektiv-Hörspiel "Die Sache mit dem Radio - ein neuer Fall für Tiger Vier" aufgenommen habe, ist doch jedes einzigartig - im Entstehungsprozess und im Ergebnis. Und genau das finde ich toll. Ich ermutige die Schülerinnen und Schüler auch immer, ein bisschen Varianz reinzubringen. Gibt es zum Beispiel ein Kind in einer Klasse, das ein wunderbares Kläffen eines Hundes machen kann, nehmen wir das auf und tauschen das Geräusch, welches wir eigentlich als Zuspiel dabei haben, einfach aus.
Manchmal ist es auch ein Highlight für die Teilnehmer, wenn ihre Lehrkräfte die Erwachsenenrollen im Hörspiel sprechen. Wir hatten schon Schulleiter, die in die Rolle des Täters geschlüpft sind. Beim Hörspiel soll man - genauso wie beim Theater - spielen können, individuell sein dürfen - das versuchen wir trotz der sehr kompakten Tage umzusetzen und bewusst zuzulassen.
Der NDR hat Schulen aller Richtungen aufgefordert sich zu bewerben, auch Inklusionsklassen und Förderschulen nehmen gern an dem Projekt teil, wie die Rosenhofschule in Ribnitz-Damgarten. Wie ist Deine Erfahrung mit den unterschiedlichen Schularten?
Durchweg positiv! Ich erwische mich bei der Vorbereitung auf unsere Einsätze an Förderschulen oft dabei, dass ich denke: Oh, wie das wohl werden wird? Nicht aus genereller Angst, sondern aus der Angst heraus, den Schülerinnen und Schülern mit Einschränkungen am Ende nicht gerecht werden zu können. Vor Ort ist es dann gar nicht mehr so außergewöhnlich. Das hat für mich persönlich drei Gründe: erstens ist sowieso jede Klasse, in der wir zu Gast sind, komplett anders - von den einzelnen Charakteren her, der Aufmerksamkeitsspanne, der Stimmung innerhalb der Klasse. Zweitens bin ich durch das intensive Vorgespräch mit den Lehrkräften schon mit der Situation vertraut und drittens haben die Lehrkräfte bei besonderem Förderbedarf bisher immer gut mitgeholfen und uns unterstützt.
Egal welcher Art und wie ausgeprägt die Einschränkungen waren: Zwischendrin ist es für alle Teilnehmer auch mal anstrengend zu folgen, trotzdem haben alle großen Spaß daran, Geräusche auszuprobieren und sich von der Producerin oder dem Producer den Audioschnitt zeigen zu lassen.
Am Ende steht immer das gemeinsame Anhören des eigenen Hörspiels. Wie reagieren die Kinder, wenn sie ihr Tagewerk präsentiert bekommen?
Zum Abschluss ist immer ein schönes, kurzes und individuelles Hörspiel zu hören, und man sieht es den Kindern und Jugendlichen an, wie stolz sie darauf sind. Das ist jedes Mal ein absolutes Erfolgserlebnis für die Schülerinnen und Schüler. Ich habe am Ende tatsächlich noch kein Kind erlebt, das unglücklich über das Ergebnis war.
Wir haben eine richtig tolle Rolle: Wir kommen als die Guten, gehen auch wieder als die Guten und erschaffen in der Zwischenzeit positive Hörspiel-Erlebnisse - in vielen Fällen sogar nachhaltige, glaube ich.
Das Interview führte Anja Stojanek, ndr.de.