Junkie-Drama "Vena": Schwanger im Gefängnis
Durch das intensive Spiel der Darsteller und die genaue Beobachtungsgabe von Regisseurin Chiara Fleischhacker wird "Vena" zu einem so intensiven Filmerlebnis, wie es im deutschen Kino nur alle paar Jahre mal vorkommt.
Wenn schon das Drehbuch eines Films, eines Debütfilms noch dazu, einen Preis nach dem anderen absahnt und der fertige Film dann einen Nachwuchspreis nach dem nächsten gewinnt, dann sollte man hellhörig werden. 2022 wurde das Drehbuch zu "Vena" auf der Berlinale mit dem Thomas-Strittmatter-Preis ausgezeichnet, in Hamburg beim Filmfest gab es den Preis in der Kategorie Deutsche Kinoproduktion und beim First Step Award, dem Nachwuchspreis in Deutschland, den Preis für den besten abendfüllenden Spielfilm.
Das menschliche Bedürfnis nach Bindung
"Es ist ziemlich faszinierend, die kleine Verbindung ist das Leben pur. Durch die Vena Umbilicalis bekommt deine Tochter alles, was sie braucht: Nährstoffe, Sauerstoff, sogar Gefühle. Und leider auch alles, was sie nicht braucht." Filmszene
Es ist ein vertrauliches, intimes, emotionales Gespräch zwischen der Familienhebamme Marla und der jungen schwangeren Jenny. Es ist Jennys zweites Kind - das erste, ihr Sohn Lukas, lebt bei Jennys Mutter. Denn: Jenny ist drogenabhängig, sie raucht, trinkt und konsumiert mit ihrem Partner Bolle zusammen regelmäßig Crystal Meth.
Die Vena umbilicalis, die Nabelschnurvene, steht in "Vena" titel- und sinngebend für die Beziehung zwischen Mutter und Kind, für das menschliche Bedürfnis nach Bindung - in zwei Richtungen. Denn Jenny muss eine Haftstrafe antreten - schwanger.
Echte Geburt im Strafvollzug gefilmt
Chiara Fleischhacker zeichnet in ihrem Abschlussfilm der Filmakademie Ludwigsburg eine genaue Milieustudie. Zur Babyparty gibt es statt einer Windeltorte einen Zigarettenturm. Jennys Fingernägel sind lang und lackiert, sie ist tätowiert. Fleischhacker hat lange über das Thema Strafvollzug recherchiert, mit Betroffenen gesprochen und Details in die Figurenzeichnung einfließen lassen: "Ich habe ehemalige Konsumentinnen getroffen und mit denen sehr vertrauensvolle Gespräche geführt", erzählt die Regisseurin. "Ich habe eine Frau getroffen, die während ihrer Haftzeit ihren Sohn entbunden hat. Davon sind ganz viele Details in 'Vena' gelandet. Da war immer sehr viel Offenheit und Vertrauen. Das war eher ein leichter Zugang."
Es ist der dokumentarische Blick im Fiktiven, der in "Vena" seine volle Kraft entfaltet. Und eine dokumentarische Szene: die Geburt im Strafvollzug - nicht nachgestellt, sondern echt, in ihrer ganzen Schönheit und Ehrlichkeit. Fleischhacker und ihr Team haben eine junge Schwangere gefunden, die bereit war, ihre Geburt filmisch begleiten zu lassen: "Dennoch war es ein wahnsinniges Geschenk, wie die Geburt stattgefunden hat", so Fleischhacker. "Der Wunsch war, dass es nicht dieses super laute Gebären ist. Es war das In-sich-Ruhen, was ich mir für Jenny als Figur ganz doll gewünscht habe. Dass sie nach all den Widerständen und den Prozessen, die sie durchlaufen hat, bei der Geburt so eine innere Ruhe findet und einen ganz starken Moment hat. Das hätte ich nicht besser schreiben können."
"Vena": Ein intensives Filmerlebnis
Nicht nur durch diese Szene, sondern vor allem auch durch das intensive Spiel von Emma Nova als Jenny und Paul Wollin als ihr Partner Bolle und die genaue Beobachtungsgabe von Chiara Fleischhacker wird "Vena" zu einem so intensiven Filmerlebnis, wie es im deutschen Kino nur alle paar Jahre mal vorkommt.
Vena
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Deutschland
- Zusatzinfo:
- mit Emma Nova, Paul Wollin, Friederike Becht und anderen
- Regie:
- Chiara Fleischhacker
- Länge:
- 116 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahren
- Kinostart:
- 28. November 2024