ARD-Mediathek: "Eingeschlossene Gesellschaft"
Sönke Wortmann ließ in "Frau Müller muss weg" einen Elternabend eskalieren. Seine Kino-Komödie "Eingeschlossene Gesellschaft" spielt am heiligsten Ort jeder Schule: im Lehrerzimmer. Zu sehen in der ARD-Mediathek.
Freitagnachmittag, kurz nach halb drei. Es klopft an die Tür. Fünf Lehrende und eine Referendarin sind noch im Lehrerzimmer, gedanklich alle schon im Feierabend. Die einen seit Freitagmittag, die anderen schon ihre ganze berufliche Karriere lang.
Geklopft hat kein Schüler, sondern ein Vater. Ein Vater, der sich für seinen Sohn einsetzen will. Ein Punkt fehlt ihm, um zum Abitur zugelassen zu werden, der piefige, paragraphenreitende Lateinlehrer Engelhardt weigert sich, genau den zu geben. Der Vater weiß nur einen Ausweg.
Lehrerin: "Was soll das jetzt hier werden? Eine Geiselnahme?"
Vater: "Wenn es sein muss, ja."
Lehrer: "Am Montag haben wir hier die große Konferenz. Da müssen wir ja jetzt nicht vorgreifen, oder?"
Vater: "Sie machen ihre Konferenz jetzt. Hier, sofort und jetzt."
Filmszene aus "Eingeschlossene Gesellschaft"
Eine Stunde, um über einen Punkt zu diskutieren. Moralische Abgründe tun sich auf, der Schlagabtausch des Kollegiums wird schnell persönlich, jahrelang angesammelte Schmutzwäsche wird gewaschen. Um die Sorgen der Schüler geht es kaum.
Kammerspiel im Lehrerzimmer
Sönke Wortmann hat nach einem Drehbuch von Bestsellerautor Jan Weiler eine Art Kammerspiel im Lehrerzimmer inszeniert. Nur ganz selten bricht die Geschichte aus dem Schulsetting aus, die meiste Zeit ist die Kamera mitten im Geschehen zwischen eingegangener Grünpflanze, siffiger Kaffeemaschine und unkorrigierten Klausurheften. Die Ausstattung ist so perfekt, dass man im Kinosaal den Schulduft förmlich riechen kann.
Die sechs Eingeschlossenen stehen dabei exemplarisch und überzeichnet für jeden Lehrertyp, den es wohl gibt: der lockere Sportlehrer, der nerdige Chemielehrer, der schülernahe Menschenfreund, der störrische Prinzipienreiter, der Unterricht macht wie 1950, die junge engagierte noch nicht desillusionierte Referendarin und die frustrierte, bei den Schülern verhasste Französischlehrerin, mit viel Freude zur übertriebenen Garstigkeit verkörpert von Anke Engelke.
Anke Engelke als Französischlehrerin - eine wahre Schreckschraube
Anke Engelke: "Schreckschraube trifft es gut? Heidi Lohmann ist eine Lehrerin Mitte 60, die wahnsinnig freudlos wirkt, wahnsinnig verbittert, auch gehässig, zynisch, arrogant. Man kann sich nicht wirklich vorstellen, dass sie Freude empfindet, wenn sie Wissen vermittelt. "Ich habe in der Vorbereitung immer wieder überlegt, ohne dass ich jetzt "Method Acting" betreibe. Aber ich habe doch überlegt, wen erreicht sie mit ihrem Unterricht? Sitzen da wirklich Jungen oder Mädchen, die sich freuen, von ihr unterrichtet zu werden? Die Antwort war immer Nein."
"Eingeschlossene Gesellschaft": Spitz und pointiert, aber meist wenig subtil
Sönke Wortmann inszeniert seine Figuren als Abziehbilder, bleibt manchmal zu sehr im Klischee verhaftet, lässt die Chance liegen, einen Kommentar auf die Bildungsmisere 2022 zu machen. "Eingeschlossene Gesellschaft" wirkt, trotz Diskussion um ein Handyverbot im Unterricht, manchmal etwas aus der Zeit gefallen. Die Dialoge sind spitz und pointiert, aber meist wenig subtil. Das Ensemble um Engelke, Florian David Fitz, Justus von Dohnányi, Nilam Farooq, Thomas Loibl und Torben Kessler tut sein Bestes um dem Lehrerzimmer Leben einzuhauchen. Mit der bitteren, aber nicht unbekannten Erkenntnis: Lehrer sind auch nur Menschen. Und manchmal eben nicht die menschenfreundlichsten.
Eingeschlossene Gesellschaft
- Genre:
- Komödie | Satire
- Produktionsland:
- Deutschland
- Zusatzinfo:
- Mit Florian David Fitz, Anke Engelke, Justus von Donáhnyi, Nilam Farooq, Thomas Loibl, Torben Kessler, Thorsten Merten und anderen
- Regie:
- Sönke Wortmann
- Länge:
- 97 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- 14. April 2022