Regisseur Andreas Dresen: Filme über die ostdeutsche Seele
Seit mehr als 30 Jahren gehört Andreas Dresen zu den wichtigsten Filmemachern Deutschlands. Der 60-Jährige hat internationale Preise auf Filmfestivals in Cannes, Chicago und Karlovy Vary gewonnen.
Andreas Dresen hat den Deutschen Filmpreis gleich für mehrere Filme erhalten: für "Halbe Treppe", Wolke Neun", "Halt auf freier Strecke" und "Gundermann". Und auch wenn Dresen mit seinen Arbeiten schon sehr oft Kritiker und Publikum gleichermaßen überzeugen konnte, er selbst schaut sich seine eigenen Filme nur ungern an. Und den perfekten Film, den gebe es schon gar nicht.
"Gundermann" mit Sicht auf DDR "jenseits der Klischees"
Allerdings liegen dem Regisseur drei seiner Arbeiten besonders am Herzen. Neben seinem ersten Film "Stilles Land" sind das "Halbe Treppe" und "Gundermann". "Bei 'Halbe Treppe' haben wir uns ganz freigemacht, einen ganzen Film improvisiert, da habe ich sehr viel für mich gelernt, über künstlerische Freiheit und was es bedeutet, sich ohne Drehbuch in ein Abenteuer zu stürzen", erklärt er. Für den Film "Gundermann' habe er sehr lange gekämpft. "Gemeinsam mit Laila Stieler haben wir versucht, eine etwas andere Sicht auf die DDR zu bringen, als sie so in den klischee-belasteten Darstellung mancher anderer Kollegen immer wieder auftaucht."
"Es entstehen Dinge, die reicher sind als meine Fantasie"
Seit "Stilles Land" von 1992 hat Andreas Dresen immer wieder mit der Drehbuchautorin Laila Stieler zusammengearbeitet. "Ich bin ein Mensch, der in der Arbeit unbedingt die Gegenwart anderer Menschen braucht und daran auch wächst. Vielleicht bin ich deswegen Regisseur geworden. Ich arbeite gerne in einer Gruppe. Ich liebe es, mich mit anderen zu reiben, mich mit anderen auszutauschen, mit anderen zu lachen. Und dabei entstehen dann Dinge, die reicher sind als meine eigene Fantasie."
Mit Super-8-Kamera beginnt das Abenteuer
Geboren in Gera, wuchs Andreas Dresen in Schwerin auf - in einer Theaterfamilie, sein Vater Adolf Dresen war Regisseur, seine Mutter Barbara Bachmann ist Schauspielerin und mit dem Regisseur Christoph Schroth hatte er einen Ziehvater. Andreas Dresen wollte allerdings nicht auf die Bühnen, sondern lieber hinter eine Filmkamera, nicht zuletzt, weil er die Auseinandersetzungen an den Theatern in der DDR sehr konkret miterlebte. "Mein Vater Adolf Dresen ist dann auch in den Westen gegangen, weil er die politischen Konflikte in der DDR nicht mehr mit seiner Bühnenarbeit in Einklang gekriegt hat", erzählt Dresen. "Ich habe auch die Kämpfe am Schweriner Theater mit Christoph Schroth und seinem Ensemble mitbekommen. Und vielleicht war es auch so eine gewisse natürliche Distanz, die man als Kind zum Beruf der Eltern sucht. Hauptgrund war allerdings tatsächlich, dass mein Vater, der mich eigentlich lieber als Naturwissenschaftler gesehen hätte, leider den großen Fehler gemacht hat, mir eine Super-8-Kamera zu schenken. Und damit begann eigentlich das ganze Abenteuer."
Aufgewachsen in aufregender Theaterwelt
Vor dem Abenteuer Film stand der jugendliche Andreas Dresen aber auch zweimal als Statist auf der Bühne des Mecklenburgischen Staatstheaters. "Das waren beides Aufführungen von Christoph Schroth und ich kann mich gut an diese Theaterabende erinnern. Ich musste bei 'Das siebte Kreuz' auf einer Leiter stehend auch ein Lied singen, irgendwie als Hitlerjunge angezogen. Es war sehr aufregend, diese Theaterwelt aus einer anderen Perspektive zu erleben. Ich kannte natürlich als Kind die Welt hinter der Bühne. Ich kannte auch das Kantinenleben. Aber selbst da rauszugehen, war schon eine sehr besondere Erfahrung."
Porträt eines NVA-Soldaten "wehrkraftzersetzend"
Während seines Studiums an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg sorgten gleich zwei seiner ersten Filme für Aufsehen - das Porträt eines NVA-Soldaten wurde nach der Aufführung beim Dokumentarfilmfestival in Neubrandenburg als wehrkraftzersetzend gebrandmarkt. Für seinen Diplomfilm "Jenseits von Klein Wanzleben" begleitete Andreas Dresen eine Brigade der Freien Deutschen Jugend (FDJ), bestehend aus drei Familien, in Simbabwe. "Als wir dann den Film fertig hatten, hatte der Zentralrat der FDJ im Herbst 1989 andere Probleme als diesen Film abzunehmen. Das war unser Glück. Sonst hätte es da, glaube ich, richtig Ärger gegeben. Der Film war, glaube ich, nicht in ihrem Sinne. Es war fast eine Form von Satire über die DDR, und das als Auftragsproduktion. Der Film ist eigentlich, obwohl er in Afrika spielte, ein wunderbares Zeitdokument über die DDR, finde ich."
"Pique Dame" an Dresdner Semperoper
Neben seiner umfangreichen Regiearbeit beim Film, zieht es Andreas Dresen auch immer mal wieder ins Theater, um eine Oper zu inszenieren, zuletzt hatte am 1. Juli "Pique Dame" Premiere an der Dresdner Semperoper. "Die Opernregie ist wie ein anderer Beruf. Muss man wirklich sagen, da zählen so viele andere Gesetze als bei der Filmarbeit. Das ist für mich hochspannend und ich begreife mich da auch immer wieder als Lernenden. Es ist ein Riesengeschenk, dass ich an solchen tollen Häusern arbeiten darf, der Bayerischen Staatsoper, der Semperoper. Das ist doch super, etwas wirklich Wunderbares. Schöne Erfahrung."
"In Liebe, eure Hilde" 2024 geplanter Filmstart
Die neueste Arbeit des Film-Regisseurs ist bereits fertig: "In Liebe, eure Hilde" kommt vermutlich 2024 ins Kino – der Film nähert sich den beiden Widerstandskämpfern während der NS-Zeit - Hans und Hilde Coppi. "Die Liebesgeschichte mit Hans ist tragisch. Sie werden da alle verhaftet. Auch Hans Coppi, der im vergangenen Jahr 80 Jahre alt geworden ist. Die ganze "Rote Kapelle" ist aufgeflogen. Hilde wurde im September 1942 verhaftet, gemeinsam mit Hans und hat dann im Gefängnis das gemeinsame Baby bekommen. Sie hat das Kind noch neun Monate im Gefängnis stillen können, dann wurde es ihr weggenommen. Am 5. August 1943 ist sie gemeinsam mit zwölf anderen Frauen an einem schönen Sommerabend tragisch durch das Fallbeil in Plötzensee hingerichtet worden."
Ideen für Filme gehen nicht aus
Und auch nach seinem 60. Geburtstag, den er am 16. August gefeiert hat, hat Andreas Dresen Ideen für Filme - eine ist auch schon sehr konkret. Der Regisseur möchte die Erzählung von Friedrich Wolf "Die Weihnachtsgans Auguste" neu verfilmen und zum Jahresende 2025 in die Kinos bringen.