Die Swing-Jugendlichen
Hamburg-Eimsbüttel 1935. Der elfjährige Günther Discher ist zu Besuch bei einem seiner Schulkameraden, der ihm seine neuesten Schellackplatten vorspielt. Musik, die ganz anders klingt als die Platten deutscher Tanzkapellen. Günther Discher erinnert sich: "Eines Tages kam ein Schulfreund und brachte Jazzplatten mit, die ihm seine Eltern aus den Vereinigten Staaten mitgebracht hatten. Das waren die ersten Swingplatten, die wir nun zu Gehör bekamen. Das war natürlich völlig etwas Neues. In dieser Musik war Rhythmus drin."
Günther Discher
Begeistert von der swingenden Musik kann Günther seine Mutter zu einer 'Taschengeldsonderzahlung' von 20 Mark überreden. Gleich am nächsten Tag kauft er sich davon ein gebrauchtes Grammophon. Günther nimmt Kontakt zu älteren Jugendlichen auf, um Platten zu hören und zu tauschen. Die Swing-Kids, wie sie sich selbst nennen, scheren sich nicht darum, dass ihre Musik bei den Nazis als "jüdisch entartet und dem Urwald entsprungenes Niggergedudel" gilt.
Ziel: Provokation
Die Swingkids wollen provozieren. Ihr Ziel sind die Alsterbrücken. Unter den Brücken verstärkt sich die Musik und erreicht die gut besuchten Ausflugslokale am Alsterufer. In aller Öffentlichkeit begrüßen sie sich untereinander statt mit 'Heil Hitler' nur mit englischen Vornamen, oder einfach nur mit 'Hello Big'. Bewusst setzen sie sich von der Hitlerjugend ab, tragen längere Haare und kleiden sich betont lässig.
Das Lebensgefühl der Swing-Kids
Günther Discher über das Lebensgefühl der Swing-Kids: "Die Swing Jugend war mit englischer Noblesse gekleidet, das heißt sie wollten auffallen, das taten sie ja auch. Man muss bedenken, die Leute von der Hitlerjugend, die hatten ja alle kurze Haare liefen alle in entsetzlichen braunen Hemden rum, während die Swing Jugend sich kleidete wie Benny Goodman oder Artie Shaw wie die amerikanischen Orchesterleiter, man trug möglichst lange Jacketts und das kam natürlich weil sich diese jungen Leute dem Nazisystem gegenüber verweigerten. Aber wie gesagt, dass war dann auch schick und man hatte damit Erfolg und vor allen Dingen bei den jungen Mädchen natürlich, wenn plötzlich so ein gut gekleideter Mann kam der sich auch noch benehmen konnte im Verhältnis zu den Jungs von der Hitlerjugend mit ihren kurz geschorenen Haaren, das waren natürlich zwei Welten."
Dass die deutsche Kriegswirtschaft überall zur Rohstoffverknappung führt, ist für die Hamburger Swing-Kids eher ein Glücksfall. Der Rohstoff für Schellack ist nahezu versiegt. Daher muss jeder, der eine Platte kauft, zwei alte Platten beim Händler abgeben. Aus Angst vor der Gestapo geben viele Bürger beim Kauf deutscher Volksmusik ihre inzwischen verbotenen Swingplatten ab.
Günther Discher weiß noch: "Da wir nun diese Händler alle kannten durch unser täglichen Nachfragen: 'haben Sie Tanzplatten', das Wort Jazz durfte ja nicht in den Mund genommen werden, durften wir diese alten Schellackplatten durchsehen und da lagen natürlich erhebliche Seltenheiten drunter die man überhaupt nicht mehr kaufen konnte. Das war natürlich sehr gefährlich, aber na ja, wir haben es gemacht."
Festnahme durch die Gestapo
Mit dieser Idee steigt Günther Discher, inzwischen 17 Jahre alt, zum größten Schwarzmarkthändler für Swing-Platten in Hamburg auf. 1942 gerät Günther Discher ins Visier der Gestapo. Ihm wird 'Handel mit Feindware' vorgeworfen. Per 'Schutzhaftbefehl' kommt er - ohne Gerichtsverhandlung in die Haftanstalt Fuhlsbüttel. Drei Monate später wird Günther Discher ins Jugend-KZ Moringen verlegt. Die Inhaftierten dort sind zwischen 12 und 22 Jahre alt.
Im Konzentrationslager
Günther Discher über seine Zeit im Konzentrationslager: "Also Moringen war genauso ein Konzentrationslager wie die andern. Es waren Jugendliche, nur männliche. Wir mussten in der Munitionsfabrik in Volpriehausen arbeiten und für die Nordsee Wehrmacht Granaten fertigen. Das war natürlich sehr sehr schwierig, erstmal war das Essen sehr schlecht, dann wurde zehn Stunden gearbeitet am Tag, bei jeder Kleinigkeit wurden die Häftlinge bestraft, bestraft und immer wieder bestraft und das Schlimmste war natürlich Essenentzug."