Verkehrswende startet im Kieler Kinderzimmer
Ein zeitgemäßer Verkehrsteppich für Kinderzimmer - das war der Wunsch von Lena Stöcker und Philipp Walter, als sie ein Kind erwarten. Irgendwie gab es aber keinen, der die Mobilitätswende berücksichtigt. Darum entwickelten sie einen eigenen.
Wahrscheinlich hat jeder schon mal den klassischen Verkehrsteppich für Kinder gesehen, eine übliche Stadt, durchzogen von vielen Straßen. Mit diesen Teppichen sollen Kinder idealerweise lernen, wie man sich im Stadtverkehr sicher bewegt. Doch das klassische Design mit Straße an Straße und zahlreichen Häuserblocks ist längst nicht mehr zeitgemäß. Das Leben und die Mobilität in der Stadt sind mittlerweile anders: Fahrräder, Bushaltestellen oder auch Scooter sucht man vergeblich. Es ist einfach kein realistisches Bild der modernen Gesellschaft mehr.
Als die beiden Kieler Lena Stöcker und Philipp Walter ihr erstes gemeinsames Kind erwarten, wollen sie eine moderne Variante schaffen. Gemeinsam mit einer Grafikerin entwickeln sie einen Teppich, bei dem neben zahlreichen Radspuren auch andere für Kinder alltägliche Sachen zu sehen sind. Spielplätze, ein Wochenmarkt oder eine Hommage an die Kieler Förde. Gemeinsam redeten sie mit Bekannten über die Idee, wie Lena sich erinnert: "In unserem Bekanntenkreis waren alle begeistert und alle sagten, es wäre eine gute Idee. Dann haben wir uns bei einem Nachhaltigkeits-Wettbewerb beworben und dort den zweiten Preis beim Publikumspreis gemacht". Ihre Idee kommt nicht nur dort gut an, vom Land Schleswig-Holstein mit einem Gründungsstipendium ausgestattet werden. Dadurch können sie sich noch bis November vollkommen auf ihr Projekt "Spielwende" fokussieren.
Kinder erkunden bei der "Spielwende" die Stadt spielerisch
Mit einem ihrer Prototypen und ab und zu auch mit einem klassischen Spielteppich besuchen sie Kindertagesstätten, um dort zu sehen, wie ihre Entwicklung ankommt. So werden Kinder und Erzieher für das Thema der nachhaltigen Mobilität sensibilisiert. In der Kieler Jakobi-Kita dürfen heute mehrere Kinder damit spielen. Dem 6-jährigen Milan fällt dort sofort der erste Unterschied zum klassischen Spielteppich auf: "Da gibt es viele Fahrradwege!", ruft er aufgedreht. Schnell finden die Kinder im Spiel viele wesentliche Unterschiede zwischen den Teppichen. Josephine erkennt Bushaltestellen und auch die Schienen, die zum Bahnhof führen. Als Lena noch die Holzfahrräder auspackt, wird gleich wild losgespielt. Die Kinder ziehen ihre Räder über die breiten Radwege, freuen sich über die Eisbude am Strand und die "Kirche", die eher das Kieler Rathaus darstellt.
Expertin schwärmt von der Idee
Nicht nur Kinder freuen sich über das Projekt. Vor dem Besuch in der Kita haben Lena und Philipp ihren Teppich auch Brigitte Wotha, einer Expertin für nachhaltige Mobilität und Stadtentwicklung, vorgelegt. Die Professorin für Raumplanung mit dem Schwerpunkt Städtebau und Regionalplanung an der FH Kiel schwärmt: "Mit so einem positiv besetzten spielerischen Element kann ich sehr viel mehr für die Verkehrswende tun, als wenn ich lange Vorträge halte." Sie fährt mit dem Holzrad die Wege auf dem Teppich ab und erzählt: "Mit den Eltern zum Markt fahren, mit dem Lastenfahrrad sich selbst fortzubewegen, wird dadurch, dass man damit auch spielen kann, als etwas Normales und Natürliches gesehen." Kinder können also ihrer Meinung nach spielerisch an die Verkehrswende herangeführt werden: "Verkehrswende hat auch ganz viel mit Emotionen zu tun, mit Narrativem, also mit Erzählungen, was gut ist und was schlecht ist."
Teppich nachhaltig und made in Germany
Ihren Teppich gibt es in verschiedenen Größen, die günstigste Version findet man für 100 Euro in ihrem Onlineshop. Produziert werden alle Produkte des "Spielwende" Start Ups in Deutschland. Die Lastenräder werden sogar im Kreis Plön in Heikendorf in einer Tischlerei gefertigt. Da ihr Gründungsstipendium im November ausläuft, haben sie nun eine Crowdfundingkampagne gestartet. Die läuft bisher auch gut, aber Lena Stöcker weiß um die Herausforderung solcher Kampagnen: "Wir sind klein, wir sind noch nicht bekannt. Wir haben keine wahnsinnig große Reichweite, um möglichst vielen Leuten von der Idee zu erzählen." Die Kampagne geht noch bis Anfang Oktober, es ist also noch etwas Zeit, die "Spielwende" in Sachen Mobilität zu verwirklichen.