Ein Gebäude trägt ein Schild mit der Aufschrift "Rathaus". © picture alliance/dpa Foto: Hauke-Christian Dittrich

Weltfrauentag: Nur 15 Prozent der Bürgermeister sind Frauen

Stand: 08.03.2025 10:16 Uhr

In Niedersachsen gibt es 403 hauptamtliche Bürgermeisterposten. Aber nur 15,5 Prozent von ihnen sind mit Frauen besetzt. Und damit steht Niedersachsen im bundesweiten Vergleich sogar noch gut da.

von Johanna Hausmann

Der Sozialwissenschaftler Simon Stocker hat an der Universität Stuttgart erforscht, wie viele Bürgermeisterinnen es in Deutschland tatsächlich gibt. Seine Ergebnisse basieren auf Schätzungen, da nicht alle Länder die entsprechenden Daten sammeln und veröffentlichen. Im Schnitt sind seinen Berechnungen zufolge nur 13,5 Prozent der deutschen Bürgermeister weiblich. In Großstädten und Landgemeinden ist der Anteil leicht höher (14,7 Prozent und 14,4 Prozent), in Kleinstädten niedriger (12 Prozent). Am schlechtesten schneidet das Saarland ab: Hier sind 94 Prozent aller Bürgermeister männlich. Niedersachsen landet auf Platz vier.

Frauen übernehmen mehr Care-Arbeit

Doch warum ist das so? Warum sind Frauen in kommunalen Spitzenämtern so unterrepräsentiert? "Es gibt natürlich individuelle Gründe und zum Beispiel, dass Frauen immer noch mehr Care-Arbeit übernehmen", sagt Janina Salden. Sie betreut für den Deutschen Städte- und Gemeindebund den Arbeitskreis "Frauen in der Kommunalpolitik". Aber es gebe auch strukturelle Probleme.

Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, bei einer Pressekonferenz. © picture alliance/dpa | Fabian Sommer Foto: Fabian Sommer
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Veraltete Rollenbilder - Hass, Hetze und Sexismus

"Frauen begegnen im Kommunalen oft veralteten Rollenbildern. Wir bekommen häufig die Rückmeldung, dass man ihnen ihre Kompetenz abspricht", sagt Salden. Oft traue man ihnen in Gemeinden die "harte politische Arbeit" nicht zu. Aber auch eine Verrohung der Debattenkultur halte Frauen davon ab, sich um ein Amt zu bewerben. "Hass und Bedrohung betrifft alle Politiker, aber Frauen oft härter. Und dann kommt noch Sexismus hinzu."

"Mehr Frauen sorgen für mehr Frauen"

Simon Stocker nennt drei Gründe, warum es wichtig wäre, dass mehr Frauen kommunale Spitzenämter besetzen. Erstens: Gerechtigkeit. Es könne schlicht als ungerecht begriffen werden, dass die Gruppe der Männer mehr Macht ausübe, als die der Frauen. Zweitens hätten Frauen in der Politik eine wichtige Vorbildfunktion für Mädchen, so Stocker: "Mehr Frauen in der Politik sorgen für mehr Frauen in der Politik." Und drittens gibt es laut Stocker tatsächlich Daten, die belegen, dass in Gemeinden, in denen Frauen Bürgermeisterinnen sind, mehr dialogorientierte Bürgerbeteiligung stattfindet. Also: Frauen im Amt beziehen Bürgerinnen und Bürger stärker in Entscheidungen ein.

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Solidarität und Vernetzung

Und jetzt? Janina Salden fordert mehr Sichtbarkeit für das Thema. Sie betont außerdem, wie wichtig es sei, dass auch männliche Politiker ihre weiblichen Kollegen unterstützen und sich solidarisch verhalten. "Seltsamerweise fällt es Frauen oft leichter, sich übers Kommunale und Parteigrenzen hinweg zu vernetzen - und sich so gegenseitig zu unterstützen."

Das sagen Bürgermeisterinnen aus Niedersachsen

Bianca Wöhlke © Bianca Wöhlke
Bianca Wöhlke, Bürgermeisterin von Heemsen

Bianca Wöhlke, Bürgermeisterin von Heemsen (Landkreis Nienburg)
"Dinge, die bei meinem männlichen Amtsvorgänger nie hinterfragt wurden, stehen bei mir plötzlich zur Diskussion. Ob Entscheidungen, Führungsstil oder Auftritt - als Frau wird man häufiger kritisch beäugt, anstatt dass einem einfach vertraut wird. Politik ist noch immer von Männern geprägt und viele Netzwerke, die Türen öffnen, sind männlich dominiert. (...) Dabei brauchen wir gerade mehr Frauen in Führungspositionen, um diese Strukturen aufzubrechen."

Maren Wegener, Bürgermeisterin von Lengede © Maren Wegener Foto: Maren Wegener
Maren Wegener, Bürgermeisterin von Lengede

Maren Wegener, Bürgermeisterin von Lengede (Landkreis Peine)
"Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beziehungsweise Ehrenamt stellt Frauen (aber auch Männer) immer wieder vor neue Herausforderungen. Frauen möchten dem leider noch immer gültigen Gesellschaftsbild Rechnung tragen und sehen sich oftmals nicht in der Lage, bei beidem die Erwartungen zu erfüllen. Wichtig ist jedoch, dass man die eigenen individuellen Erwartungen erfüllt und sich für unsere Gemeinschaft aktiv einsetzt."

Susanne Glombitze, Bürgermeisterin Nörten-Hardenberg © Susanne Glombitza Foto: Susanne Glombitza
Susanne Glombitza, Bürgermeisterin von Nörten-Hardenberg

Susanne Glombitza, Bürgermeisterin von Nörten-Hardenberg (Landkreis Northeim)
"Im Landkreis Northeim haben wir in der laufenden Wahlperiode vier Bürgermeisterinnen und eine Landrätin. Das ist eine gute Quote. Ich sehe keine Herausforderungen, die ich persönlich als Frau bewältigen musste, um mich bei den Männern durchzusetzen. Zusätzlich habe ich einen Mann, der mir den Rücken immer freigehalten hat und den größten Teil der Kindererziehung übernommen hat, was es einfach machte."

Petra Broistedt, Oberbürgermeisterin Göttingen © Miriam Merkel Foto: Miriam Merkel
Petra Broistedt, Oberbürgermeisterin von Göttingen

Petra Broistedt, Oberbürgermeisterin von Göttingen
"Ich bin seit fast 30 Jahren auf kommunaler Ebene in Politik und Verwaltung aktiv. Das ist mir sehr wichtig und ich möchte andere Frauen ermutigen, sich einzubringen und mitzureden. Sonst wird nicht gemeinsam mit uns, sondern über uns entschieden."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 08.03.2025 | 08:00 Uhr

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Frauenpolitik